(aw) – Mit gentechnischen Verfahren haben chinesische Wissenschaftler Rinder unempfindlicher gegen TBC-Infektionen gemacht. Ist das der Einstieg in die Züchtung von infektionsresistenten Tierrassen? wir-sind-tierarzt.de befragte Professor Heiner Niemann, den Forschungsbereichsleiter Biotechnologie am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), ob das Verfahren auch für das TBC-Problem am Alpenrand hilfreich sein könnte?
Bovine Tuberkulose ist in vielen Ländern der Erde nach wie vor ein großes Problem, nicht nur in Afrika und Asien, sondern auch in Neuseeland, England und Wales. 26.000 Rinder mussten allein im Jahr 2013 in Großbritannien aufgrund der Infektion getötet werden. Auch Deutschland und Österreich haben aktuell ein Rinder-TBC-Problem in der Alpenregion.
Mäuse-Gen schützt Rinder vor niedrigdosierter TBC-Infektion
Ein chinesisches Wissenschaftlerteam der Universität Yangling (Provinz Shaanxi) hat jetzt erste Forschungsergebnisse vorgestellt, mit denen sich die Empfindlichkeit von Rindern gegenüber einer Tuberkulose-Infektion verringern lässt. Die Chinesen haben ein Mäusegen in das Genom von Holstein-Friesian Rindern eingesetzt und konnten diese damit gegen eine niedrigdosierte Infektion mit Tuberkulose-Bakterien schützen. Möglich macht diesen Kunstgriff ein neues „Werkzeug“ genannt TALEN (Transcription Activator-like Effektor Nuclease) oder auch „molekulares Skalpell“. Mit dem TALEN können Forscher ein Genom gezielt an einer beliebigen Stelle „zerschneiden“ (bzw. einen DNA-Doppelstrangbruch induzieren), so dass man dort anschließend Material einfügen kann.
Rinder-TBC kontrollieren?
Gegenüber der Zeitschrift PNAS (Proceedings of the National Acedemy of Sciences) sagten die Wissenschaftler: „Unsere Ergebnisse tragen zur Kontrolle und Verhinderung von boviner Tuberkulose bei und erlauben völlig neue Einblicke in die Züchtung von Tieren auf Krankheitsresistenzen.“
Besonders britischen Wissenschaftler erhoffen sich hiervon Hilfe bei der Bekämpfung von Rindertuberkulose. Per Gentechnik könnte man die natürliche Selektion von Rindern auf eine Krankheitsresistenz beschleunigen, glaubt Professor Mike Coffey vom Scotland’s Rural College.
Ob die neue Methode in den deutschen TBC-Hotpots für Entspannung sorgen könnte, wollte wir-sind-tierarzt.de von Prof. Dr. Heiner Niemann, dem Forschungsbereichsleiter Biotechnologie am Friedrich-Loeffler-Institut wissen.
Interview Prof. Niemann: TBC-Ausbreitung lässt sich verlangsamen
WiSiTiA: Würde die von den Chinesen beschriebene Veränderung der Empfindlichkeit gegenüber einer TBC-Infektion ausreichen, um beispielsweise die Almtiere des deutschen TBC-Hotspots im Allgäu gegen eine Infektion zu schützen?
Prof. Heiner Niemann: Das kann aus der Publikation noch nicht endgültig abgeleitet werden, könnte aber durchaus sein.
WiSiTiA: Die Tiere sind nicht generell resistent gegen eine Infektion. Die britischen Kollegen hoffen aber, dass sich die Übertragung und damit auch die Ausbreitung verlangsamt. Ist diese Einschätzung realistisch?
Prof. Niemann: Das ist richtig, es gibt keine vollständige Resistenz, aber eine signifikant gesenkte Inzidenz der typischen TBC Pathologie. Das sollte mit einer Verlangsamung der Ausbreitung einhergehen.
WiSiTiA: Besteht die Gefahr, dass durch die neue Technologie eine TBC-Infektion im Hinblick auf die Verbrauchersicherheit maskiert wird? Die Wissenschaftler sprechen davon, dass die Krankheit milder verläuft und die Veränderungen im Körper weniger dramatisch sind. Könnten so erkrankte Tiere bei der normalen Fleischbeschau leichter übersehen werden?
Prof. Niemann: Das hängt natürlich von der Sorgfalt der Fleischbeschau ab. Allerdings sollten Tiere mit massiver TBC Pathologie erst gar nicht im normalen Schlachtprozess landen, sondern vorher aussortiert sein.
WiSiTiA: Wie lange würde es etwa dauern, bis ein entsprechendes Verfahren praxisreif und mit vertretbaren Tierverlusten durchführbar wäre? Von den 23 genetisch veränderten Kälbern haben nur 13 das Erwachsenenalter erreicht. Das ist aus Sicht des Landwirts mit Sicherheit kein vertretbares Ergebnis.
Prof. Niemann: Diese Zahlen lassen sich mit der relativen Ineffizienz des somatischen Klonens erklären, weniger mit der genetischen Veränderung. Aus der Publikation ist nicht ersichtlich, was die Ursachen für die Abgänge waren. Es ist aber eigentlich immer so, dass beim ersten Mal eine neue Technologie nicht gleich maximal erfolgreich ist und dass in der Folge das Verfahren sukzessive verbessert wird. Das würde ich hier auch erwarten.
Diese Arbeit zeigt wieder mal eindrücklich, das mit neuen molekulargenetischen Verfahren die Krankheitsresistenz von Nutztieren verbessert werden kann, auch wenn hier noch nicht alle Fragen beantwortet werden konnten.