Milchkühe brauchen Laufschuhe und keine Flip-Flops

Kuh mit lahmheitstypisch abgespreiztem HinterbeinKuh mit Klauenproblem hinten links, abgespreizte Beinhaltung (Foto: ©WiSiTiA/aw)

Gesunde und belastbare Klauen sind bei Milchkühen eine wesentliche Grundvoraussetzung für einen guten Start in die neue Laktation. Nicht von ungefähr wird in Beständen mit sogenanntem „chronischem Botulismus“ zwar kein Botulinum-Neurotoxin nachgewiesen, dafür aber fallen sie durch einen auffällig hohen Anteil an lahmen Kühen auf. Gutes Management ist auch für die Klauengesundheit der wichtigste Faktor – einige Tips: 

„An dem Tag, an dem eine Kuh in die neue Laktation einsteigt, braucht sie die bestmöglichen Laufschuhe und nicht irgendwelche Flip-Flops“, bringt Karl Burgi es auf den Punkt. Der gebürtige Schweizer leitet Sure Step Consulting in Wisconsin, eine der größten Ausbildungsstätten für Klauenpfleger in den USA und ist weltweit als Berater tätig.

In Flip-Flops fällt das Laufen schwer

Kühe, die in der Transit-Phase oder der Frühlaktation an einer Lahmheit leiden, erholen sich nur schlecht, fressen zu wenig und neigen zu Stoffwechselstörungen mit allen bekannten negativen Auswirkungen. Leider werden in vielen Betrieben die Ursachen zu lange übersehen oder ignoriert. Häufig sind es „Kleinigkeiten“ wie zu lange Außenklauen an den Hinterbeinen in einem Interview mit dem Hoard’s Dairyman. Werden diese nicht gekürzt, belastet das die Innenklauen vermehrt und die Beinstellung verändert sich – die Kühe laufen ungern. Das aber ist in Laufställen anders als in der Anbindehaltung eine Grundvoraussetzung, um zum Futter, zum Wasser und in den Melkstand zu gelangen.

Lange Stehzeiten – schlechte Durchblutung

Gedränge im Laufgang – dieser Stall ist überbelegt. Die Folge: Lange Stehzeiten schädigen die Klauen.

Gedränge im Laufgang – dieser Stall ist überbelegt. Die Folge: Lange Stehzeiten schädigen die Klauen. (Foto: ©WiSiTiA/aw)

Gift für gesunde Klauen ist außerdem zu langes Stehen, denn der Klauenbereich ist nur gut durchblutet, solange sich die Kuh bewegt oder wenn sie liegt. Lange Stehzeiten für die Kühe haben meist zwei Gründe: Entweder sind die Melkstände nicht auf die Kuhzahl abgestimmt und die Tiere müssen zu lange warten. Oder es sind zu wenig Liegeboxen vorhanden und die Tiere stehen gezwungener Maßen. Beide Szenarien treten vor allem dann auf, wenn Laufställe überbelegt werden (mehr als eine Kuh pro Liegeplatz).

Sohlengeschwüre, Mortellaro, White-Line-Disease

Burgi zählt die drei häufigsten Klauenprobleme auf: Sohlengeschwüre, Mortellaro und Entzündungen im Bereich der weißen Linie. Alle drei lassen sich durch frühzeitige Klauenpflege gut in den Griff bekommen. Und: Alle drei Probleme treten vor allem an den Hinterbeinen auf. Durch eine regelmäßige Gangbeurteilung (locomotion scoring) können diese Lahmheiten bereits im Frühstadium leicht bemerkt und behoben werden. Das setzt allerdings die Bereitschaft der Landwirte voraus, Zeit in Tierbeobachtung zu investieren. Gerade daran mangelt es in Problembetrieben aber am häufigsten.

Dünne Sohle brauchen Klauenschutz

Neben zu langen Klauen können auch zu dünne Sohlen zu Problemen führen. Wenn Kühe täglich weite Strecken laufen müssen und der Abrieb größer ist als der Nachwuchs, dann dürfen die Klauen nicht gekürzt werden. Stattdessen müssen sie durch aufklebbare Plastikblöcke geschützt werden. „Diese Plastikklötze gefallen nicht allen Landwirten, da sie gelegentlich in Güllegruben landen, aber für die Tiergesundheit sind sie extrem wichtig und das zeigt sich an der Tankmilch“, resümiert Burgi.

„Die Klaue trägt die Milch“ lautet das deutsche Pendant. Landwirte und Tierärzte sollten daher in Herden mit Gesundheits-/Leistungsproblemen immer auch die Klauengesundheit berücksichtigen. Und nicht zuletzt: Die Überbelegung von Milchviehställen ist ein Verstoß gegen die Cross Compliance Bestimmungen.

Beitragsbild: Kuh mit Klauenproblem hinten links, zu erkennen an der abgespreizten Beinhaltung (Foto: ©WiSiTiA/aw)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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