Na, haben Sie auch aufgrund der Überschrift den Beitrag angeklickt? Dann sind Sie genau darauf hereingefallen, was wir mit diesem Artikel der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und der Österreichischen Presseagentur APA vorwerfen: mit der „Wenn Essen krank macht“-Headline ein wichtiges Thema zu dramatisieren.
Eine kommentierende Einordnung von Jörg Held
Es geht um 133 „lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche“ mit 568 Erkrankten und 108 dadurch nötige stationäre Behandlungen ohne einen Todesfall, die die AGES für 2013 bei 8,6 Millionen Österreichern ermittelt hat. Die Gesamtentwicklung der lebensmittelbedingten Infektionen – das findet sich auch in dem zu den Grafiken gehörenden sachlichen Artikel der APA wieder – ist seit 2009 deutlich rückläufig, insbesondere bei Salmonellen-Infektionen. Allerdings gab es 2103 gegenüber 2012 einen Anstieg der Gesamtinfektionen von neun Prozent, der hauptsächlich Noroviren und pathogenen E. Coli zuzuordnen ist – der aber, so heißt es dann selbst im Text – „etwas täuscht“.
Lebensmittel-Detektive?
Soweit die Fakten. Was uns bei wir-sind-tierarzt.de wieder einmal ärgert: Die staatliche Agentur – vergleichbar mit dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) – veröffentlicht wichtige Daten und wird dabei tendenziös – um Aufmerksamkeit zu erheischen? Natürlich ist jede lebensmittelbedingte Infektion eine zuviel. Die Behörden – hier die österreichische AGES – leisten auf der einen Seite wichtige Recherche- und Dokumentationsarbeit, nennen sich selbst auch „Lebensmittel-Detektive“. Sie gehen den Ursachen auf den Grund und legen so die Basis, um – auch durch Vorschriften und Gesetze – Missstände abzustellen. Dass sie das gut machen, zeigt die rückläufige Gesamtentwicklung der lebensmittelbedingten Infektionen. Die Botschaft müsste also heißen: Lebensmittel werden und sind (!) immer sicherer. (siehe auch: „Hilfe, wir leben immer länger“ dank sicherer Lebensmittel.)
Doch stattdessen schreibt die staatliche AGES „Wenn Essen krank macht“ und verunsichert so eher, als dass sie informiert. Und schlimmer noch: Die optisch schicke Grafik – und Bilder bleiben nun mal hängen und werden über die sozialen Medien auch viel häufiger geteilt – informiert auch noch falsch oder zumindest tendenziös.
Finden Sie den Tendenz-Fehler?
Sie können den Fehler nicht finden! Dazu müssten sie den Volltext gelesen haben. In der Grafik muss zwar das Huhn an oberster Stelle als „Salmonellen-Verbreiter“ herhalten – dabei heißt es im zugrundeliegenden Text wörtlich:
>>“Salmonella war vor zehn Jahren sicher noch der häufigste Durchfallerreger, eines von 100 Eiern war noch mit Salmonellen behaftet. Wir haben damals ein Problem gehabt“, so der Experte (Anm. d. Red.: Franz Allerberger, Leiter des Geschäftsfeldes Öffentliche Gesundheit bei der AGES). Heute seien die Eier durch die gesetzlich vorgegebene Impfung des Legehennenbestandes weitgehend salmonellenfrei. <<
Warum also das böse Huhn, wenn der Artikel doch beschreibt: 2013 gab es insgesamt 1.443 Salmonellen-Erkrankungen mit sechs Todesfällen. Die Grafik selbst zeigt 44(!) lebensmittelbedingte Salmonellen Ausbrüche. Einen Todesfall gab es durch lebensmittelbedingte Ausbrüche nicht, auch das berichtet die AGES. Für Campylobacter gilt das gleiche: Insgesamt 5.726 gemeldete Fälle – aber „nur“ 58 lebensmittelbedingte Ausbrüche (wobei ein „Ausbruch“ mehrere „Erkrankungsfälle“ zur Folge haben kann – die vierstellige Zahl aber bei weitem nicht erreicht). Und: Nein – es sind nicht die berichtenden Medien schuld! Auftraggeber für die Grafik ist die AGES selbst (siehe Fußnote in der Grafik). Sie hat die Veröffentlichung bezahlt und verbreitet sie auch über die eigenen Social-Media-Accounts.
Wichtiges geht unter
Bei dieser Art von Kommunikation gehen zwei Dinge unter, die für die Menschen in Sachen lebensmittelbedingte Infektionen wirklich wichtig sind. Erstens wie sie sich schützen können, denn (Zitat): „75 Prozent aller mit Nahrungsmitteln übertragenen Erkrankungen wurden als Haushaltsausbrüche klassifiziert.“ Das findet sich ganz am Ende des Artikels unter der Überschrift „Ursachen“. Und dort wird dann auch auf die Bedeutung der Küchenhygiene hingewiesen: Händewaschen, Arbeitsgeräte heiß abwaschen, Fleisch durchgaren.
Listerien sind gefährlich
Zweitens: Das eigentlich für die Bevölkerung wichtige Thema sind die Listerieninfektionen, denn durch den bakteriellen Erreger Listeria monocytogenes gab es bei „nur“ 36 Erkrankungen gleich neun Todesfälle. Zitat: „Listerien nehmen wir besonders ernst. Auch hier ist das Problem, dass der Erreger in der Umwelt weit verbreitet ist und dass immer wieder Lebensmittel, Gott sei Dank meist nur mit sehr niedrigen Keimzahlen, belastet sind“, sagt Allerberger. Das aber kommt in der Grafik gar nicht erst vor. Es lässt sich wohl auch optisch nicht so leicht erklären und am Mainstream-Bösewicht „Huhn“ festmachen?
Was uns ärgert
Wieder einmal hat eine staatliche Einrichtung die notwendigen Daten; sie wäre kompetent, sie so zu erklären, dass der Bürger etwas damit anfangen kann, ohne ihn zu verunsichern; sie hat sogar schicke Ideen für die neuen Medien. Und dann opfert sie ihre Kompetenzen doch wieder zugunsten plakativer Kommunikation. Warum nur?