Stallpflicht soll Infektionsrisiko senken

In Deutschland hat das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) den H5N8 Virus in einem Wildvogel – einer Krickente – nachgewiesen und damit den ersten Virusfund in Europa außerhalb einer Nutztierhaltung bestätigt. In einer  Risikoeinschätzung bewertet das FLI die Übertragung durch Wildvögel jetzt als „hoch“. Deshalb haben acht Bundesländer inzwischen eine (teilweise) Stallpflicht für Geflügel angeordnet.  (update 28.11.2014 – 11:00)

(jh) – Die infizierte Wildente wurde im Rahmen des Wildvogelmonitorings im Landkreis Vorpommern Rügen geschossen und überprüft. Damit liegt dieser Fall deutlich außerhalb des 50km-Risikogebietes um den Betrieb in dem die Seuche zuerst ausbrach (Heinrichswalde, Landkreis Vorpommern Greifswald). Es ist aber KEIN neuer Nutzgeflügelbestand betroffen.

Stallpflicht in Risikogebieten

Belgien hat eine Stallpflicht angeordnet, Schweden ebenfalls. In Mecklenburg-Vorpommern – dem ersten H5N8-Ausbruchsherd in Deutschland – gilt sie sowieso. Am Montag (24.11.2014) wurde in einer Bund-Länder-Besprechung deshalb eine bundesweite Stallpflicht für Hausgeflügel in Regionen mit erhöhtem Risiko aufgrund durchziehender Wildvögel angeregt. Dem folgten in unterschiedlicher Ausgestaltung bisher die Länder Baden-Württemberg,Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

Das Grün-geführte NRW-Verbraucherschutzministerium hat am Dienstag (25.11.2014) die Regionen benannt, in denen eine Stallpflicht gilt – als Risikogebiete gelten Rastplätze und Zugstrecken von Wildvögeln. Seit Mittwoch (26.11.2014) hat auch die Grüne Landesregierung in Niedersachsen ein Aufstallgebot ausgesprochen, nachdem sie zuvor den Landkreisen die Entscheidung überlassen hatte. Landwirtschaftsminister Meyer sah zunächst keine rechtliche Grundlage für eine Anordnung des Landes. Der Verband der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft forderte allerdings eine Stallpflicht, der Verband der Gänsehalter ist dagegen. Die niedersächsischen Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim haben bereits vor Tagen selbständig eine Stallpflicht angeordnet, die Kreise Vechta und Cloppenburg zogen nach.

Enten für Wildvogelmonitoring schießen

Auch das von einem Grünen-Minister geführte Landwirtschaftsministerium in Schleswig-Holstein hat eine Stallpflicht für „Risikogebiete“ angeordnet. Als solche gelten alle Wasservogelgebiete sowie Gebiete entlang den Küsten und an der Elbmündung innerhalb von drei Kilometern ab mittlerer Hochwasserlinie und um Seen herum, die größer als 50 Hektar sind. Im Rahmen eines „kurzfristigen aktiven Wildvogelmonitorings“ sollen Jäger auch eine noch zu bestimmende Anzahl Wildenten schiessen und den Behörden zur Überprüfung übergeben. Baden-Württemberg ordnete ebenfalls „sicherheitsweise“ eine Stallpflicht für Betriebe an, die in 500m Abstand entlang des Rheins und des Bodensees liegen.

Vor allem Bio- und Privathaltungen betroffen

Eine Stallpflicht für Hausgeflügel gilt für konventionelle und Biobetriebe sowie für private Halterinnen und Halter von Hausgeflügel. Alle freilaufenden Legehennen, Masthühner und Puten aber auch Enten und Gänse oder sonstiges Geflügel müssen dann bis auf Weiteres in ihren Ställen bleiben, um einen direkten Kontakt zu Wildvögeln zu vermeiden.

Gleiche Virusvariante wie in England und den Niederlanden

Die deutschen Behörden sprechen jetzt „von einem europaweiten Seuchengeschehen.“ Für sie hat sich der Verdacht verdichtet, dass „nach den Ausbrüchen in Deutschland, in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich, das Erregerreservoir  in der Wildvogelpopulation liegt.“ Prof. Martin Beer, Leiter des Institutes für Virusdiagnostik am FLI, bestätigte, dass der gefundene Erreger „komplett identisch“ mit denen in England und den Niederlanden sei.

Krickenten wurden in verschiedenen Studien als sehr „effiziente“ Virusträger bezeichnet, da sie lange Distanzen in wenigen Tagen überwinden können. So hat eine beringte Ente in zwei Tagen 640 km zurückgelegt. Das Problem dabei ist, dass die Enten das Virus tragen können, ohne selbst zu erkranken, berichtet die Internationale Gesellschaft für Virus-Erkrankungen (ISID).

Historie des Ausbruchsgeschehens

Erstmals in Europa hatte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) am 5.11.2014 das hochpathogene aviäre Influenzavirus vom Subtyp H5N8 in einer Mastputenhaltung mit 31.000 Tieren im Landkreis Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern nachgewiesen. Auf dem bpt-Kongress in Hannover (14.11.2014) zeigten sich die Behördenvertreter vorsichtig optimistisch,  dass der Ausbruch eingedämmt werden konnte. Und vor zwei Tagen (20.11.) meldeten sie, dass alle bis dahin genommenen 3.169 Proben außerhalb des Seuchenbetriebes negativ ausgefallen waren. Bisher konnte eine Ausbreitung auf andere Nutztierbestände auch verhindert werden.

Weitere Berichte zum Thema auf wir-sind-tierarzt.de:

Auch England (1 Ausbruch) und vor allem die Niederlande (5 betroffene Betriebe) meldeten H5N8-Ausbrüche.

Über mögliche Verbreitungswege des Virus wird gestritten: Waren es Wildvögel oder internationaler Warenverkehr?

Details zum ersten Ausbruch in Deutschland von Anfang November finden sie hier und hier.

Weitere Quellen
Eine Fragen-und-Antwort-Liste (FAQ) zur Hochpathogenen Aviären Influenza (HPAI) hat das FLI zuletzt am 20.11.2014 aktualisiert (PDF-Download).
Die Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) warnt vor einer Ausbreitung der Krankheit durch Wildvögel.

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