Bei der am 25.11. vorgelegten NRW-Puten-Studie wurde ein Ergebnis nicht kommuniziert: Die Untersuchung hat keinen Zusammenhang zwischen Besatzdichte und Tierzahl und der Häufigkeit eines Antibiotikaeinsatzes (Therapiedichte) gefunden. Das ist für Tierärzte nicht überraschend.
„Ziel der Erhebung war es, erste orientierende Informationen über den Ist-Zustand der Verschreibungs- und Anwendungshäufigkeiten an antibiotisch wirksamen Substanzen im Mastputenbereich sowie über ausgewählte Tierschutzparameter zu gewinnen, welche die Behörden bei der Überwachung landwirtschaftlicher Putenmastbetriebe und tierärztlicher Hausapotheken unterstützen können.“
So definiert die NRW-Puten-Studie ihren Auftrag (Seite 5 und noch einmal auf Seite 12). Die Ergebnisse zu Teil 1 des Auftrages fanden ein ausgiebiges Medienecho: „Neun von zehn Puten in NRW erhalten Antibiotika und zu einem Drittel sind es nicht zugelassene Wirkstoffe“ – so lautete mehrheitlich der Tenor der Berichte. Und es schwang mit: Schuld ist die Massentierhaltung.
Was aber an Erkenntnissen über die „ausgewählten Tierschutzparameter“ und deren Auswirkungen auf den Antibiotikaeinsatz gewonnen wurde, hat das grün-geführte NRW-Landwirtschaftsministerium nicht vollständig kommuniziert.
Dabei findet sich ganz am Ende der NRW-Untersuchung (Seite 48 / Punkt 4.4) eine sehr interessante Aussage: Man habe Zusammenhänge zwischen folgenden Parametern analysiert (Zitat):
- „Therapiedichte, Verlust und Verwurf,
- Besatzdichte und Therapiedichte,
- Größe des Durchgangs und Therapiedichte und
- Therapiedichte und Gewicht.“
Und dann steht dort als Schlusssatz (Zitat):
„Bei diesen Auswertungen konnten generell keine eindeutigen Zusammenhänge beobachtet werden.“
Das bedeutet im Klartext: Diese Untersuchung hat keinen Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Haltungsbedingungen (Anzahl der Tiere im Stall/Platz der Tiere/Gewicht) und dem Antibiotikaeinsatz (Therapiedichte) gefunden.
Kritiker werden einwenden, es seien sowieso nur „Massentierhaltungen“ überprüft worden. Aber es gab auch in dieser Gesamtheit – soweit sich das aus den Daten herauslesen lässt –, etwa 10 Prozent der Durchgänge ganz ohne Antibiotkaeinsatz sowie eine große Zahl von Durchgängen mit nur einem Antibiotikaeinsatz. Und diese unterschieden sich in den analysierten Parametern der Haltungsbedingungen offensichtlich nicht von den Durchgängen mit hohem Antibiotikaeinsatz.
Auf dieses – für Tierärzte nicht unbedingt überraschende Ergebnis – gibt es keinen Hinweis in der Pressemeldung. Im Gegenteil: Der Minister lässt in der Pressemeldung formulieren, dass die Antibiotikabehandlung von Puten … „In vielen Fällen das Ergebnis aus Überzüchtung und unzureichenden Haltungsbedingungen (ist).“ Auch der Begriff „Massentierhaltung“ als Grund für den Antibiotikaeinsatz fällt mehrmals.
Diese selektive Kommunikation hat Folgen für die Medienberichterstattung – auch in „Qualitätsmedien“: So überschreibt süddeutsche.de ihren Bericht zur NRW-Studie mit „Die Qual der Puten“ und „erklärt“ im Artikel: „Antibiotika werden in der Putenmast in großen Mengen eingesetzt, weil die Haltungsbedingungen für die Tiere eine Qual sind.“ – Das aber ist zumindest nicht das Ergebnis dieser Untersuchung.
Eine ausführliche Analyse zur NRW-Puten-Studie lesen Sie hier.
Hier haben wir am 25.11 erstmals über die NRW-Puten-Studie berichtet.