Dealer-Vorwurf: Debatte um Antibiotikaresistenzen eskaliert

Der Vorwurf,  die Tierärzte betrieben „Drogenhandel im Stall“ stammt ursprünglich vom Grünen-Politiker Jürgen Trittin aus dem Wahlkampf 2013. Die aktuelle Ausgabe der ZEIT (20.11.2014) greift ihn auf: „Der Tierarzt als Dealer“ soll die nächste Folge der Artikel-Serie über die „Rache aus dem Stall“ wohl überschrieben sein – es geht um Antibiotikaresistenzen.


1Zeit_Tieräzte_Dealer_im_StallWas er von solchen Formulierungen hält, hat wir-sind-tierarzt.de den Präsidenten der Bundestierärztekammer, Professor Dr. Theo Mantel, gefragt (inzwischen gibt es einen Protestbrief der BTK an die Chefredaktion der ZEIT):

„Die Bezeichnung der Tierärzte als ‚Dealer‘ hat Jürgen Trittin schon 2013 im Wahlkampf verwendet. Warum man jetzt wieder so formuliert, kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben das tierärztliche Dispensierrecht. Wir Tierärzte verkaufen nach Recht und Gesetz  Medikamente direkt an Tierhalter, an Landwirte genauso wie an Kleintierbesitzer.“
Dafür gebe es gute Gründe. Diese seien auch in einem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten zum Dispensierrecht genannt. Das liegt jetzt vor und wird am 4. Dezember in einem Fachgespräch mit 70 Vertretern aus allen Bereichen der Gesellschaft diskutiert.

Legale Anwendung von Medikamenten

Prof. Dr. Theo Mantel, Präsident der Bundestierärztekammer (BTK)

Prof. Dr. Theo Mantel, Präsident der Bundestierärztekammer (BTK)

„Tierärzte und Humanmediziner sind also legale Anwender von Antibiotika,“ betont Mantel. „Wir müssen und wollen als Ärzte Antibiotika dann anwenden, wenn unsere Patienten – ob Mensch oder Tier – eine bakterielle Infektion haben. Jede dieser Anwendungen birgt das Risiko einer Resistenzbildung – das ist so, ob wir das als Ärzte wollen oder nicht. Deshalb werden und müssen wir alles daransetzen, um das Resistenzproblem in den Griff zu bekommen. Wir wollen bestimmt keinen ausufernden Antibiotikaeinsatz.“
 Die Tierärzteschaft hat deshalb schon 2010 die Antibiotika-Leitlinien überarbeitet und darin Anleitungen für den fachlich korrekten Einsatz von Antibiotika gegeben. Sie arbeitet intensiv in der Deutschen Antibiotika Resistenzstrategie (DART) mit. Und sie beteiligt sich an dem gerade gestarteten Antibiotikamonitoring der Bundesregierung und der Länder, dass Vielverbraucher in der Landwirtschaft identifizieren wird.
Dabei stellt Mantel klar: „In der Tiermedizin lässt sich der Antibiotikaeinsatz nur reduzieren, wenn wir die Bedingungen in der Tierhaltung optimieren. Mit einer systematischen Bestandsbetreuung leisten die Tierärzte als Berater dazu ihren Beitrag. Ändern kann die Bedingungen aber nur der Tierhalter.“

Aktuelle Berichterstattung in der ZEIT

Die Schlagzeile der aktuellen Ausgabe der ZEIT (20.11.2014) zum Thema Antibiotikaresistenzen klingt ebenfalls martialisch – aber sie kriminalisiert zumindest keinen ganzen Berufsstand. Ausschnitte und Ergänzungen zu dem Artikel in der gedruckten Ausgabe finden sich auch online auf zeit.de.

 

Zeit_Rache_aus_dem Stall

 

Wütende Proteste der Landwirtschaft

Der erste Teil der Serie betrifft vor allem die Landwirte. Entsprechend deutlich fallen die Stellungnahmen von offizieller Seite (Deutscher Bauernverband) aber auch von einzelnen Landwirten aus – etwa die des von Landwirten gegründeten Vereins „Massentierhaltung aufgedeckt“ oder agrarheute.de.

Auf seiner Seite blogagrar.de hat sich Landwirt Bernhard Barkmann wütend, aber recht sachlich mit der „Werbung“ der ZEIT für die Artikelserie auseinandergesetzt und zahlreiche Berufskollegen zitiert. Unter anderem präsentiert er auch die folgende Statistik, die eben keinen unmittelbare Korrelation zwischen Tierdichte und MRSA-Belastung im Krankenhaus erkennen lässt.

 

Hohe Tierdichte bedeutet nicht zugleich hohe MRSA-Balstung im Krankenhaus.

Hohe Tierdichte bedeutet nicht zugleich hohe MRSA-Balstung im Krankenhaus. (Quelle blogagrar.de/Keckl)

 

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat hier eine Fragen- und Antwortliste zur MRSA-Verbreitung veröffentlicht.

Zur medialen Wahrnehmung und Wirkung des Zeitartikels habe wir hier eine kurze Analyse und hier einen Kommentar geschrieben.

update 24.11.2014: Einen Teil des ZEIT-Themas gibt es jetzt auch als Multimediafeature

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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