bpt protestiert gegen „reißerischen“ ZEIT-Artikel

(jh) Als „sinnentstellend“ und „reißerisch“ kritisiert der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) den ZEIT-Artikel „Rache aus dem Stall“. Präsident Dr. Hans-Joachim Götz sieht einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Artikelplatzierung und politischen Terminen.

„Die zeitliche Platzierung des Beitrags wie auch die der angekündigten weiteren Folgen können kein Zufall sein,“ sagt der bpt-Präsident. Habe doch am Wochenende (22./23.11.2014) der Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen zum Kampf gegen Massentierhaltung, die Agrarlobby und genverseuchtes Tierfutter aufgerufen. Zugleich ist für den 4. Dezember in Berlin der Fachdiskurs in  zum Gutachten zur Überprüfung des tierärztlichen Dispensierrechtes angesetzt? „Die Absicht scheint zu sein, die inzwischen versachlichte Diskussion des gesamtgesellschaftlichen Problems der antimikrobiellen Resistenzen wieder zu emotionalisieren, um die Politik unter Druck zu setzen.“

Die Erklärung des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte im Wortlaut

bpt-Präsident Dr. Hans-Joachim Götz

bpt-Präsident Dr. Hans-Joachim Götz (© bpt)

Absicht oder schlechte Recherche? – Zeit-Beitrag „Die Rache aus dem Stall“ mit vielen fachlichen Mängeln

„Wie sich eine renommierte Zeitung auf ein derart reißerisches Niveau begeben kann und das ernsthafte Problem der antimikrobiellen Resistenzen (AMR) dermaßen sinnentstellend veröffentlicht, ist für mich nicht nachvollziehbar“, erklärt Dr. Hans-Joachim Götz, Präsident des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte (bpt), mit Blick auf den Beitrag „Die Rache aus dem Stall“, mit dem die Wochenzeitung „Die Zeit“ am vergangenen Donnerstag eine vierteilige Reportage gestartet hat.

„Natürlich gehört es zur Pressefreiheit Missstände anzuprangern oder eine Systemänderung einzufordern. Aber es kann nicht sein, dass der Wunsch nach Abschaffung der so genannten Massentierhaltung dem Leser suggeriert, diese sei eine neue Brutstätte für besonders gefährliche Keime an denen jährlich tausend Menschen in Deutschland sterben, weil kaum noch ein Antibiotikum hilft.“ Das widerlegt die Berichterstattung sogar selbst.

Aber: Viele vorhandene Fakten sind so eingestreut, dass ein anderer Eindruck entsteht, andere wiederum fehlen. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Die bedenkliche Resistenzlage in der Humanmedizin ist nachweislich die direkte Folge des seit Jahren überdurchschnittlichen Verschreibungsverhaltens der Humanmediziner.
  • Die zur Gruppe der Beta-Lactam-Antibiotika gehörenden Carbapeneme sind für den Einsatz beim Tier weder zugelassen noch werden sie angewendet.
  • Die MRSA-Erreger, die in der Region Holzminden die meisten Infektionen bundesweit verursachen, stammen nicht aus der Tierhaltung, weil diese dort kaum eine Rolle spielt.
  • Die Niederlande mit einer der weltweit größten Viehdichten und einem der höchsten Antibiotika-Einsätze haben die niedrigste Rate von MRSA und ESBL. Grund dafür sind konsequente Hygienemaßnahmen in Verbindung mit strengen Leitlinien und Vorschriften in den Krankenhäusern.
  • In Dänemark dagegen nehmen die MRSA-Infektionen bei Tieren trotz des viel gerühmten Systems dramatisch zu. Das wird dieser Tage in der dänischen Presse deutlich thematisiert.

Weshalb wird nicht über die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie und den Aktionsplan zur Abwehr der Antibiotikaresistenz der EU-Kommission berichtet? Oder nicht erwähnt, dass in Deutschland mit dem im Frühjahr in Kraft getretenen 16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes ein Antibiotikaminimierungskonzept geschaffen worden ist, das nicht nur europaweit, sondern weltweit an der Spitze steht? Durch die neuen gesetzlichen Regelungen wird erstmals die Therapiehäufigkeit mit Antibiotika in den einzelnen Betriebstypen für die Betriebe und die Überwachung erkennbar werden. Die Tierhalter können dann anhand der bundesweiten Kennzahlen vergleichen, wie ihre betriebsindividuelle Situation zu beurteilen ist und die Behörden werden im Sinne einer Risikoorientierung Kenntnis über Betriebe erhalten, bei denen Überwachungsmaßnahmen zu prüfen sind.

Es wird auch nicht über das umfassende Antibiotikamonitoring in der Geflügel- und Schweinemast berichtet, das bereits lange vor dem staatlichen Monitoring auf Initiative des bpt und des Deutschen Bauernverbands über das privatwirtschaftlich organisierte QS-System aufgebaut wurde und inzwischen bereits 95 Prozent der geflügel- und rund 90 Prozent der schweinehaltenden Betriebe abdeckt. Dadurch wird neben einem Benchmark zur Risikoorientierung auch eine weitergehende Analyse der Situation möglich und damit die Grundlage zur Verbesserung von Tiergesundheit und Tierhaltung gelegt. Und warum wird auch nicht darüber berichtet, dass mit der Auswertung Ende des Jahres erstmals ein umfassendes Bild zum Antibiotikaeinsatz bei Geflügel und Schweinen entsteht?

„Anstatt die Leserschaft verständlich über ein komplexes Thema aufzuklären, wird dem Leser ein völlig falscher Gesamteindruck von den tatsächlichen Sachverhalten vermittelt“, sagt Götz. „Offensichtlich hat sich „Die Zeit“ von ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht verabschiedet und will lieber Politik machen, indem sie sich vor anderer Leute Karren spannen lässt. Die zeitliche Platzierung des Beitrags wie auch die der angekündigten weiteren Folgen können kein Zufall sein, vermutet der bpt-Präsident. Hat doch am vergangenen Wochenende der Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen stattgefunden auf dem einvernehmlich zum Kampf gegen Massentierhaltung, die Agrarlobby und genverseuchtes Tierfutter aufgerufen wurde. Und findet nicht am 4. Dezember der Fachdiskus in Berlin zum Gutachten zur Überprüfung des tierärztlichen Dispensierrechts statt? Es scheint Absicht zu sein, die inzwischen versachlichte Diskussion des gesamtgesellschaftlichen Problems der AMR wieder zuemotionalisieren, um die Politik unter Druck zu setzen.

„Damit tut sich „Die Zeit“ keinen Gefallen. Ihre Leser sind nicht dumm“, glaubt Götz. Inzwischen sollten alle am Thema AMR Interessierten mitbekommen haben, welche Anstrengungen unternommen werden, um das über Jahrzehnte gewachsene Problem nachhaltig durch Verbesserung der Tiergesundheit und Tierhaltung zu lösen.

Quelle der bpt-Pressemeldung
Auch die Bundestierärztekammer hat gegen Tiel der ZEIT-Berichterstattung protestiert
Ebenso der Deutsche Bauernverband

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