In etwa zehn Prozent der Anlieferungsmilch an Molkereien lassen sich ESBL (Extended-Spectrum BetaLactamase)-bildende Enterobacteriaceae nachweisen. Ernüchternde Daten zum Antibiotikaeinsatz bei Milchkühen, stellte Professor Dr. Ewald Usleber auf dem bpt-Kongress in Hannover vor. Wohin also mit der Sperrmilch?
von Annegret Wagner
Wohin mit der Sperrmilch? Diese Frage dürften sich viele Tierärzte nach dem Vortrag von Professor Usleber, Inhaber der Professur für Milchwissenschaften am Institut für Tierärztliche Nahrungsmittelkunde der Justus-Liebig-Universität in Gießen gestellt haben.
In rund zehn Prozent der Anlieferungsmilch an Molkereien lassen sich ESBL (Extended-Spectrum BetaLactamase)-bildende Enterobacteriacaeae nachweisen. Die spielen – zum Glück – in Konsummilch und Milchprodukten keine Rolle. Weil sie zumeist sehr thermosensibel sind, tötet die Wärmebehandlung bei der Milcherstellung diese ESBL-Bildner ab.
Anders sieht es bei Rohmilchprodukten aus – in ihnen ist ein Überleben nicht auszuschließen. Offen ist auch die Frage, was passiert, wenn Landwirte diese Sperrmilch an Kälber vertränken.
Einsatz von Betalactam-Antibiotika üblich
Das hohe Vorkommen dieser Bakterien ist dem gängigen Management in der Milchkuhhaltung geschuldet. Zur Behandlung von Mastitiden und beim Trockenstellen kommen vor allem Betalactam-Antibiotika zum Einsatz (Penicilline, Cephalosporine). In Deutschland erhält nach Uslebers Berechnungen jede Milchkuh etwa drei Gramm pro Jahr.
Wirkstoff wird fast komplett über Milch ausgeschieden
Problematisch ist vor allem die Tatsache, dass bei einer intramammären Behandlung der Wirkstoff fast komplett wieder über die Milch ausgeschieden wird. Die Landwirte vertränken diese Milch in der Regel an Kälber, weil sie natürlich entsprechend der angegebenen Wartezeiten nicht verkauft werden darf. Das gleiche gilt für Kolostrum, das unter anderem aufgrund des antibiotischen Trockenstellens mindestens fünf Tage lang nicht lebensmitteltauglich ist.
Kälber trinken Milch mit pharmakologisch wirksamer Dosierung
Die Kälber erhalten daher eine Milch mit einer annähernd therapeutischer Dosierung von Antibiotika in einer nicht zugelassenen Darreichungsform. Die Verfütterung von nicht zugelassenen pharmakologisch wirksamen Präparaten ist sowohl nach deutschem als auch nach EU-Recht nicht erlaubt. Die Verwendung von antibiotikahaltiger Milch in der Kälberaufzucht ist zwar nirgends explizit verboten, widerspricht aber der Idee des Arznei- und Lebensmittelrechts. Zudem ist unklar, ob durch Sperrmilch die Entwicklung resistenter Bakterien bei Milchkälbern begünstigt wird.
Prof. Usleber wünscht sich daher, dass der Umgang mit der Sperrmilch vor allem unter dem Aspekt des Einsatzes als Futtermittel fachlich und rechtlich klar geregelt wird.
Wohin mit der Sperrmilch?
Auf die Frage aus dem Auditorium, was mit der Milch zu tun sei, hatte Usleber allerdings keine Antworten. Er stellte lediglich klar, dass die Milch keinesfalls in Gülle und nur in begrenzten Mengen in Biogasanlagen gelangen sollte, damit die Antibiotika sich nicht auf landwirtschaftlichen Nutzflächen anreichern. In Biogasanlagen könnten sie zur Störung der Zersetzungsprozesse führen. Milch (egal ob mit oder ohne Antibiotika) darf aber auch nicht über das Abwassersystem und Kläranlagen entsorgt werden, da die hohe Belastung mit organischem Material zu Funktionsausfällen führen kann. Eine Entsorgung über Oberflächenwasser (z.B. Bäche) ist ebenfalls obsolet.
Ebenso blieb die Frage offen, wie neugeborene Kälber mit lebensnotwendigem, stallspezifischem Kolostrum versorgt werden können, wenn die Verwendung von Kolostrum antibiotisch trockengestellter Kühe nicht mehr erlaubt wäre.
Abkochen nur Teillösung
Ein Vorschlag aus dem Auditorium verdeutlichte, dass der Einsatz der Antibiotika zwei verschiedene Problemkreisen umfasst – Resistenzentwicklung und Wirkstoffrückstände. Ein Tierarzt schlug vor, die Sperrmilch abzukochen, um so die ESBL-bildenden Bakterien abzutöten, die bei den gefütterten Kälbern zu Resistenzen gegen Betalactam-Antibiotika führen könnten. Dieses Problem wäre also beherrschbar. Doch vernichtet die Hitzebehandlung der Milch nicht die Antibiotika selbst, die Rückstandsproblematik bliebe dadurch ungelöst.