Abrechnung zu Pfingsten

"Grüß' mir den Kollegen!"

Quasi zum Frühstück an Pfingstmontag durfte ich einen 16 Jahre alten Dackel erlösen. Ganz zufällig ist mir dabei ein Geist erschienen ….

"Grüß' mir den Kollegen!"

„Grüß‘ mir den Kollegen!“

Ich war zum ersten Mal hier, kannte die Besitzer nicht. Notdienst für die Nachbarpraxis. Der Mann war schweigsam, die Frau völlig aufgelöst. Die beiden Senioren hatten die ganze Nacht am Körbchen ihres Dackels gewacht, seine Schnauze mit Wasser benetzt, Pipi gewischt, Fleischwurst angeboten. So schlecht es dem krebskranken Hundchen ging, ich machte mir um seine Besitzer fast die größeren Sorgen. „Ein Lieber ist er nie gewesen, aber wir haben ihn geliebt wie einen Familienangehörigen.“ Ich machte den Leuten keine Hoffnungen. Wenn es zu Ende ist, dann muss man helfen, denke ich. „Wir könnten ihn vielleicht mit intensiver Medizin noch ein paar Tage halten – aber wollen wir das wirklich?“, fragte ich. So zog ich also die Spritze auf, staute die Vene …. Es ist immer wieder unglaublich, aber die alten Hunde wissen (scheinbar) genau, was nun kommt.

Wir unterhielten uns anschließend noch ein bisschen und die beiden ließen die Tierarztbesuche der letzten 16 Jahre im Allgemeinen und des Dackel’s OPs im Speziellen Revue passieren. Während ich einen lauwarmen Caro-Kaffee schlürfte, erzählten sie Gutes wie Schlechtes und auch ein paar Unschönheiten über einen Kollegen, den ich einmal sehr geschätzt hatte. Als Kollegen – mit überaus vielen Ecken und Kanten. Für ihn trifft des Dackels Charakterisierung gleichfalls zu, dachte ich. Als es dann ans Bezahlen ging, fragten sie mich, ob ich die Rechnung selber stelle – oder der Tierarzt, zu dem sie normalerweise gingen. Ich war tatsächlich etwas gerührt. Denn das System, das sie ansprachen, stammte von dem verstorbenen Kollegen. Vertraten wir uns gegenseitig, stellte immer derjenige die Rechnung, bei dem die Leute eigentlich Kunden gewesen waren. Das hört sich erst mal kompliziert und ungerecht an. Schließlich habe ja „ich“ im Notdienst die Leistung erbracht. Doch in Wirklichkeit war das System schlichtweg Kollegialität in reinster Form. Es wurde mit offenen Karten gespielt; man wusste, wer welche Behandlung bekommen hatte. Und konnte sicher sein, dass Kunden nicht abgeworben wurden.

Lieber Kollege, zu Pfingsten also viele Grüße „nach oben“! Und pass mir auf den Dackel auf…

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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