BTK: „Anästhesie gehört nicht in Laienhand“

(Foto: © Initiative Massentierhaltung aufgedeckt)

„Anästhesie gehört nicht in Laienhand!“ Tierärzte sollten sich von Verbänden dabei nicht unter Druck setzen lassen. In der Debatte um die Ferkelkastration bezieht die Bundestierkärztekammer eindeutig Position.
wir-sind-tierarzt dokumentiert hier die Pressemeldung  im Wortlaut.

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Diese Hintergrundinformation gehört zum Artikel: Ferkelkastration: Bauern gegen Tierärzte – warum?

(BTK Berlin – 27.06.2018) – Ab dem 01.01.2019 wird es in Deutschland verboten sein, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. Der Bayerische Bauernverband (BBV) hat sich in einem aktuellen Schreiben an alle bayerischen Schweinehalter gewandt, in dem u. a. das Unverständnis der Ablehnung des „4. Wegs“ verschiedener Organisationen thematisiert wird. Die Bundestierärztekammer (BTK) spricht sich nochmals entschieden gegen die Anwendung des sogenannten „4. Wegs“ durch den Tierhalter als Alternative zu der betäubungslosen Ferkelkastration aus und nennt gern erneut die Gründe.
Voraussetzung für die Rechtskonformität der chirurgischen Ferkelkastration unter Lokalanästhesie ist das Erreichen einer wirksamen Schmerzausschaltung, wie die Bundesregierung zuletzt auf eine kleine Anfrage der FDP zur „Zukunft der deutschen Ferkelerzeugung nach dem 31.12.2018″ mitteilte. Nach bisherigen Studien wird bei der Ferkelkastration mit Procain aber keine ausreichende Schmerzausschaltung erreicht. Damit erfüllt dieses Verfahren eindeutig nicht die Vorgaben des Tierschutzgesetzes. Ein Arzneimittel, das den Anforderungen einer lokalen Anästhesie genügt, existiert derzeit nicht.
Es gibt zurzeit drei rechtlich mögliche Alternativen: Die Ebermast, die Immunokastration oder „Eberimpfung“ (Improvac) zur Verminderung des Ebergeruchs sowie die Kastration unter Allgemeinanästhesie. Beim „4. Weg“ soll dem Tierhalter die Verabreichung eines Betäubungsmittels zur örtlichen Schmerzausschaltung erlaubt werden. Davor warnt der Präsident der BTK, Dr. Uwe Tiedemann: „Jede Anästhesie – das gilt auch für die lokale Betäubung – ist eine anspruchsvolle und risikobehaftete tierärztliche Tätigkeit!“

Es ist zwar gängige Praxis, kleine Eingriffe unter Lokalanästhesie vorzunehmen. Doch nach bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen, gibt es bei der örtlichen Betäubung der Ferkel deutliche Nachteile. „Die Belastung der Tiere durch Fixation und mehrfache Injektionen ist ähnlich wie bei der betäubungslosen Kastration und der Schmerz wird je nach Applikationsart nur teilweise ausgeschaltet. Dazu kommt, dass Injektionen in Richtung der Samenstränge oft nicht präzise platziert werden können – schon gar nicht, wenn sie durch Laien im Akkord vorgenommen werden. Abgesehen von dem Risiko einer nicht ausreichenden Schmerzausschaltung durch eine ungenaue Applikation, ist bei dieser Vorgehensweise nicht auszuschließen, dass versehentlich auch eine lebensgefährliche intravasale Injektion erfolgen kann. Auch können Wundheilungsstörungen in Folge des Vorfalls der betäubten Samenstrangstümpfe vorkommen.
Wenn der „4. Weg“ also nicht nur eine kostengünstige Täuschung des Verbrauchers sein soll, muss eine wirksame Schmerzausschaltung garantiert sein – und das ist wissenschaftlich bisher nicht erwiesen. Aus diesen Gründen lehnen wir diesen Weg ausdrücklich ab“, betont Tiedemann.

Die BTK appelliert an alle praktizierenden Tierärzte, denen der Fragebogen des BBV vorgelegt wird, sich gegen die Lokalanästhesie als geeignete Methode zur Ferkelkastration zu positionieren.

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