Antibiotikaresistenz: Medizinstudenten wissen nicht genug

Europäische Humanmedizinstudenten wünschen sich mehrheitlich eine bessere Ausbildung für den verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika. (Foto: © Medmannheim / CC BY-SA 4.0)

Europäische Humanmedizinstudenten wünschen sich mehrheitlich eine bessere Ausbildung für den verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika. Dabei sehen sich die Skandinavier gut vorbereitet. Die deutschen Studenten aber glauben zu über 70 Prozent, beim Antibiotikawissen im Studium noch Nachholbedarf zu haben.

(aw/jh) – Insgesamt fühlt sich eine Mehrheit der europäischen Medizinstudenten für den richtigen Umgang mit Antibiotika noch nicht gut genug ausgebildet. Das zeigt eine Umfrage unter 7.328 Medizinstudenten im letzten Studienjahr an 179 Universitäten in 29 europäischen Ländern. Sie glauben zwar, eine Infektion gut diagnostizieren zu können (90%), sind aber zum Beispiel unsicherer was die Dringlichkeit und (Zeit)Planung einer antibiotischen Behandlung angeht (60%) oder gar darin, eine antibiotische Kombinationstherapie auszuwählen (50%).
Die Karte zeigt den prozentualen Anteil der europäischen Medizinstudenten, die glauben mehr(!) über den Umgang mit Antibiotika wissen zu müssen – in Deutschland über 70 Prozent.

Deutschland mit Nachholbedarf? Die Karte zeigt den prozentualen Anteil der europäischen Medizinstudenten (nach Ländern), die glauben, mehr(!) über den Umgang mit Antibiotika wissen zu müssen. (Karte: © ESGAP Student-PREPARE Working Group)

Wenig Wissen – hohe Resistenzraten?

Dabei schwankt die Selbsteinschätzung – und damit die Qualität der universitären Vorbereitung auf den Umgang mit Antibiotika – zwischen den Ländern und auch nach Themenbereichen durchaus. Die Studie sieht aber eine grundsätzliche Korrelation zwischen der (niedrigeren) Wissensvermittlung an die Medizinstudenten und (höheren) Resistenzraten.

Die Studie sieht eine grundsätzliche Korrelation zwischen der (niedrigeren) Wissensvermittlung an die Medizinstudenten und (höheren) Resistenzraten in den Ländern (national antibiotic susceptibility score). (Grafik: © ESGAP Student-PREPARE Working Group)

Erstellt hat die Umfrage die Gruppe für verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika (ESGAP) der European Society of Clinical Mikrobiology and Infectious Diseases (ESCMID). 47 Punkte zum Umgang mit Antibiotika hat sie abgefragt. Abhängig von ihren Antworte wurden die Medizinstudenten in Kategorien eingeteilt, die zeigen, wie gut sie sich auf den Umgang mit Antibiotika vorbereitet fühlen.
Die Autoren sind zurückhaltend, was die Interpretation der Ergebnisse angeht. So könnten sich Studenten in Ländern mit niedrigen Antibiotikaresistenzen bei bakteriellen Krankheitserregern (z.B. Skandinavien) möglicherweise auch deshalb besser vorbereitet fühlen, weil sie täglich mit weniger komplizierten klinischen (Resistenz)Situationen konfrontiert sind.
Umgekehrt dürfte aber – so die Erwartung–  eine bessere Vorbereitung der Medizinstudenten langfristig zu einer angemesseneren Verschreibung von Antibiotika und einer geringeren Prävalenz von Antibiotikaresistenzen führen.

Nachholbedarf: Wissen um gezielten Antibiotikaeinsatz

Dabei gab es durchaus klar identifizierbare Themen, in denen sich die Studierenden mehrheitlich gut vorbereitet fühlen und andere, in denen sie dies nicht als ausreichend ansahen (siehe Grafik). Speziell bei Entscheidungen, die den Einsatz von Antibiotika betreffen und damit Auswirkungen auf Resistenzbildung haben, sehen sie Nachholbedarf.

Antibiotika-Themen, bei denen die Medizinstudenten sich gut und weniger gut vorbereitet fühlen. (Grafik: © ESGAP Student-PREPARE Working Group)

Patienten(halb)wissen: Antibiotika bei Erkältungen

Dabei ähnelt der Grad des „Antibiotika-Wissens“ der Studierenden in vielen Ländern dem der Bevölkerung. So zeigt eine EU-Übersicht den weit verbreiteten Irrglauben, dass Antibiotika gegen virale Erkältungen helfen (siehe unten). Auch hier schneiden die Skandinavier aber auch die Niederlande und Großbritannien besser ab; Deutschland liegt „wissensmäßig“ minimal über dem Durchschnitt der 29 EU-Länder.

Weitverbreiteter Irrglaube in Europa: Antibiotika helfen gegen virale Erkältungen. (Grafik: © European Patients Forum / Eurobarometer)

Quelle:
Journal of Antimicrobial Chemistry (Mai 2018)

Beitragsbild: Medmannheim / CC BY-SA 4.0

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