Mycoplasma bovis: Neuseeland keult über 22.000 Rinder

Der Ausbruch von Mycoplasma bovis in Neuseeland entwickelt sich zum Desaster: Die Regierung hat beschlossen, über 22.000 Rinder keulen zu lassen. Zugleich gibt es heftige Kritik an der Tierkennzeichnung und der Rückverfolgbarkeit des Viehverkehrs: Das Meldesystem habe versagt.

(jh) – Seit Juli letzten Jahres verzeichnet Neuseeland einen Ausbruch der weltweit verbreiteten und vergleichsweise ungefährlichen Rinderseuche Mycoplasma bovis (wir-sind-tierarzt Berichte hier – mehr zur Krankheit am Artikelende) – und es gelang bisher nicht, ihn einzudämmen. Inzwischen sind 29 Farmen direkt betroffen, 741 stehen unter Beobachtung (Stand März 2018).
Weil der Erreger Mycoplasma bovis in Neuseeland noch nicht endemisch vorkommt, versuchen die Behörden ihn auszurotten. Dazu hat die Regierung eine Massenkeulung aller 22.332 Rinder auf zuletzt 22 verbliebenen infizierten Betrieben beschlossen. Schon bis Dezember wurden 4.700 Rinder auf sieben betroffenen Farmen getötet.
Die Kosten der Keulung, einschließlich der Entschädigung für betroffene Bauern, veranschlagen die Behörden mit $ 45 Millionen USD. Die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten des Ausbruchs beziffert das Landwirtschaftsministerium auf $ 307 Millionen USD in den nächsten Jahren.

Hat die Kontrolle des Tierverkehrs versagt?

Gleichzeitig wird heftige Kritik an der Tierkennzeichnung laut. Das National Animal Identification and Tracing Scheme (NAIT) scheint „versagt“ zu haben. Dies legt ein Bericht nahe.
Weder hätten die Tierhalter wie vorgeschrieben alle Viehverkehrsbewegungen gemeldet, noch hätten die Behörden die Kennzeichnung und Meldung durchgesetzt. Während die offizielle Webseite zum NAIT-Report Probleme nur andeutet, schreibt das Landwirtschaftsministerium in einer Pressemeldung deutlich: Womöglich seien weniger als 30 Prozent aller Tierbewegungen zwischen den Farmen erfasst worden. Nur etwas mehr als die Hälfte der neuseeländischen Rinderfarmer (57 Prozent) melden ihre Tierbewegungen innerhalb der vorgeschriebenen 48 Stunden.
Die Behörden gehen davon aus, dass dies ein Grund ist, warum man die Ausbreitung der Seuche nur schwer habe nachverfolgen und stoppen können. Meldeverstöße sollen strenger geahndet werden: mit bis zu 10.000 Neuseeland-Dollar pro Vorfall.

Dabei profitiert Neuseeland durch die Zweiteilung in eine Nord- und eine Südinsel noch von einer natürlichen Barriere bei der Weiterverbreitung der Tierseuche. Bisher lagen 28 der 29 Ausbrüche auf der Südinsel, nur einer auf der Nordinsel. Das Landwirtschaftsminsterium will durch verstärkte Kontrollen der Tiertransporte über die Meerenge zwischen den beiden Inseln (Cook-Strait) ein Übergreifen verhindern.

Landesweite Milchtests

Mit landesweiten Milchtests hatte man versucht, die Erregerverbreitung rechtzeitig zu erkennen. Laut Ministerium hätten 113.000 Tests gezeigt, dass die Seuche noch nicht zu weit verbreitet sei. Mit der Keulungsaktion hofft man sie eindämmen zu können. Der Indikator für den Erfolg wird sein, ob es gelingt, die neuseeländische Nordinsel frei zu halten.

Erreger über Arzneimittel importiert?

Wie der Mykoplsamen-Erreger ins Land kommen konnte, ist noch unklar. Mögliche Eintragswege sind der Import von Bullensamen, Kuhembryos, Impfstoffen, Futtermitteln, Maschinen oder lebenden Tieren. Als wahrscheinlichster Weg wird jedoch importierter Samen angesehen.
Aktuell gibt es aber auch Spekulationen darüber, dass der Erreger über Tierarzneimittel importiert worden ist. Tierarzt-Unternehmen sollen billige Medikamente verkauft haben, die ansonsten nicht in Neuseeland eingesetzt werden. Offiziell machen die Behörden noch keine Angaben zu den laufenden Untersuchungen.

Mykoplasmen: Infizierte Tiere tragen Bakterien lebenslang

Mykoplasmen sind sehr kleine Bakterien ohne Zellwand, die ihre Gestalt verändern können. Sie leben aerob bis fakultativ anaerob intra- und extrazellulär. Mycoplasma bovis wurde bereits im Jahr 1898 aus kranken Kühen isoliert und beschrieben. Mykoplasmen können bei Kühen zu behandlungsresistenten Mastitiden führen, außerdem können sie schwere Pneumonien, Aborte, Gelenkschwellungen und Arthritiden bei Kühen verursachen, sowie Ohrinfektionen bei Kälbern. Einmal infizierte Kühe tragen die Bakterien lebenslang in sich. Deshalb versucht Neuseeland – wo die Tierseuche bisher nicht vorkam – sie durch Keulung aller infizierten Tiere wieder auszurotten.

Quellen:
Übersichtswebseite „Mycoplasma bovis“ – alle Meldungen des neuseeländischen Landwirtschaftsministeriums zum aktuellen Ausbruch
weitere Quellen im Artikel direkt verlinkt

Teilen
Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)