Kälber: Lungenerkrankungen per Ultraschall differenzieren

Rindergrippe – wichtig ist gute Tierbeobachtung und klinische Diagnostik. Aber auch per Ultraschall lassen sich Krankheitsstadien klassifizieren. (Foto: © WiSiTiA/aw)

Bei Kälbern kann – mit etwas Übung – eine Ultraschalluntersuchung binnen 30 Sekunden helfen, eine Lungenerkrankung zu klassifizieren. Wie das ergänzend zur klinischen Untersuchung genau möglich ist, beschreibt die US-Kollegin Dr. Theresa Ollivett.

(aw) – Die meisten Rindertierärzte dürften mittlerweile ein Ultraschallgerät zur Trächtigkeitsuntersuchung von Kühen besitzen. Diese eignen sich auch sehr gut zur Untersuchung von Kälberlungen und zur Diagnose von Rindergrippe (BRD = Bovine Respiratory Disease), sagt Dr. Theresa Ollivett von der University of Wisconsin – ergämzend zur klinischen Untersuchung.

Ultraschall bei Kälbern einfach

Eine Ultraschalluntersuchung ist bei Kälbern, die Menschen gewöhnt sind, relativ einfach. Weder müssen die Tiere (in der Regel) aufwendig fixiert werden, noch ist es nötig, die Haare im Untersuchungsbereich zu scheren. Als Kontaktmittel eignet sich sowohl herkömmliches Untersuchungsgel, als auch Salatöl oder 70 prozentiger Isopropylalkohol. Der Alkohol verklebt das Fell nicht und hinterlässt die geringsten Spuren am Kalb. Daher ist er das bevorzugte Präparat von Dr. Ollivet.

Worauf achten – wie ansetzen

Die Ultraschall-Untersuchung umfasst auf der rechten Seite die Interkostalräume eins bis zehn und auf der linken Seite von zwei bis zehn. Geschallt wird von kaudal nach kranial und jeder Interkostalraum von dorsal nach ventral. Mit etwas Übung dauert diese Untersuchung nicht länger als 30 Sekunden, meint die Kollegin.

Besonders wichtig ist die Beurteilung des kranialen Teils der vorderen rechten Lungenlappens, denn dort manifestiert sich eine Entzündung in der Regel zuerst. Weitere wichtige Bereiche sind der rechte mittlere Lungenlappen und der kaudale Teil des linken vorderen Lungenlappens. Dabei sollte der Schallkopf nicht rechtwinklig gehalten werden, sondern leicht nach hinten gekippt sein, um den Ultraschall an den Rippen vorbei auf die Lunge zu lenken. Unter Umständen reicht es auch aus, wenn ein Ende des Schallkopfs richtig aufliegt und eine Beurteilung möglich macht.

Klassifizierung auf einer Skala von 0 bis 6

Dr. Ollivet arbeitet mit einer Skala von 0 bis 6. Dabei entsprechen 0 und 1 einer gesunden Lunge und ab Klasse 3 liegt eine bakteriologische Infektion der Lunge vor. Bei der Klassifizierung spielt die Struktur der Lunge eine wichtige Rolle. Es wird unterschieden zwischen …

  • … beatmeter Lunge,
  • beatmeter Lunge mit Pleurairritationen (Kometenschweif-Artefakte),
  • lobulären Lungenläsionen – also kleineren verdichtete  Bereiche in einem sonst funkionierenden Lungenlappen,
  • und lobären Lungenläsionen, bei denen das Gewebe, ausgehend von der Spitze des Lappens auf ganzer Tiefe verhärtet (nicht beatmet) erscheint und sich ventral des pathologischen Befundes kein beatmetes Gewebe befindet.

Im Ultraschall stellt sich das Parenchym hypoechogen dar.
Zusätzlich zur Beurteilung des Lungengewebes können auch pathologische Befunde wie Pneumothorax, Thoraxergüsse oder Abszesse erfasst werden.

Drei unterschiedliche Krankheitsstadien

In Kombination mit dem Ultraschallergebnis ist es anhand der klinischen Untersuchung (Beurteilung der Atmung und der Atemwege) möglich, drei Krankheitsstadien zu unterscheiden:

  1. Infektion der oberen Luftwege = auffällige Befunde bei der klinischen Untersuchung, keine Veränderungen des Lungengewebes
  2. subklinische Pneumonie = keine auffälligen klinischen Befunde aber Veränderungen des Lungengewebes im Ultraschall erkennbar
  3. klinische Pneumonie = sowohl klinische Untersuchung als auch Ultraschall weisen pathologische Abweichungen auf

Die Ultraschalluntersuchung lässt darüber hinaus Rückschlüsse auf die Tierbeobachtung zu, denn wenn viele Lungenveränderungen gefunden werden ohne dass den Betreuern eine Erkrankung aufgefallen ist, dann ist die Tierbeobachtung als schlecht zu bewerten.

Neben dem Monitoring von Kälbern kann eine Ultraschalluntersuchung auch zur individuellen Abklärung der Prognose einer Erkrankung heran gezogen werden. Sie sei daher eine sinnvolle Ergänzung zur klinischen Untersuchung, ohne erhebliche Zusatzkosten zu verursachen oder Zeit zu beanspruchen, meint Theresa Ollivet.

Quellen:
„On-Farm Use of Ultrasonography for Bovine Respiratory Disease“ (Originalarbeit bei science direkt)
Bericht auf bovinevetonline.com

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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