Frustrierende Diagnose: Labmagengeschwür bei Kälbern

Gutes Tränkemanagement – wichtig zur Vorbeugung von Labmagengeschwüren bei Kälbern. (Foto: WiSiTiA/jh)

Labmagengeschwüre bei Kälbern sind für Tierärzte eine frustrierende Diagnose: In der Regel wird ein Geschwür erst dann erkannt, wenn keine Therapie mehr möglich ist. Die Ursachen sind multifaktoriell, gezieltes Vorbeugen deshalb schwierig. Wichtigster Faktor ist ein  gutes Tränkemanagement.

(aw) – Einige Studien gehen davon aus, dass je nach Aufzuchtbedingungen bis zu 75 Prozent aller Kälber unter Erosionen an der Labmagenschleimhaut leiden. US-Tierarzt Dr. Robert Corbett, Fütterungsspezialist und Berater für Milchviehbetriebe (PAS, Dipl.  ACAN / Texas) hat daher einige wichtig Aspekte zusammen gestellt und auf einer Website für Milchviehhalter veröffentlicht, um diese für das Thema Labmagengeschwür zu sensibilisieren.
Zunächst teilt Corbett die Erkrankung in vier Kategorien ein:

  1. Nicht-perforierende Geschwüre mit geringen klinischen Symptomen – maximal leichte Kolik-Schmerzen, unregelmäßiger Appetit
  2. Nicht-perforierende Geschwüre mit erheblichem Blutverlust – Teerkot, leichte Bauchschmerzen
  3. Perforierende Geschwüre mit lokaler Bauchfellentzündung – Kälber haben in der Regel Fieber und/oder deutliche Bauchschmerzen
  4. Perforierende Geschwüre mit akuter, ausgedehnter Bauchfellentzündung – Kälber haben Anzeichen von septikämischem Schock und hochgradige Bauchschmerzen

Corbett beobachtet, dass sich die meisten Kälber, wenn sie einem Tierarzt vorgestellt werden, in der vierten Gruppe befinden. Dann nämlich ist der schlechte Allgemeinzustand der Tiere nicht mehr zu übersehen.

Schutzmechanismen gestört

Ein gesunder Labmagen besitzt – ähnlich wie der menschliche Magen – eine Reihe von Mechanismen, um die Magenschleimhaut zu schützen und die Entstehung von Geschwüren zu verhindern. Zu diesen „Sicherheitsvorkehrungen“ gehören eine Schutzschicht auf der Schleimhaut, Bikarbonat aus dem Speichel, um eine Übersäuerung zu vermeiden und eine gute Durchblutung der Schleimhäute für eine optimale Versorgung des Gewebes. Sind diese Mechanismen gestört, kann die im Labmagen produzierte Säure die Schleimhaut und die darunter liegenden Gewebeschichten angreifen und zerstören, genau wie bei Magengeschwüren bei Menschen.

Die wichtigsten Risikofaktoren

Eine spezielle Ursache für die Entstehung von Labmagengeschwüren konnten Wissenschaftler bisher noch nicht finden, es handelt sich in der Regel um ein multifaktorielles Geschehen. Zu diesen Faktoren gehören:

  • zu häufige oder zu lange dauernde Behandlung mit nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAIDs) oder Corticosteroiden
  • physiologischer Stress
  • wiederkehrende Erkrankungen
  • Mineralstoffmangel (v.a. Kupfer)
  • mangelnde Qualität des Milchaustauschers
  • Osmolarität des Milchaustauschers, Anmischen des Austauschers nicht sorgfältig genug
  • Fütterungshäufigkeit und -menge
  • unregelmäßige Fütterungszeiten
  • Qualität des angebotenen Raufutters
  • verlangsamte Labmagenentleerung
  • VerschiedeneBakterien, zum Beispiel Clostridium perfringens Typ A, Campylobacter-Stämme und heliobacter pylori

Wenn Kälber unter Labmagengeschwüren leiden, dann in der Regel zwischen der vierten und zwölften Lebenswoche. Es gibt aber auch Berichte von neugeborenen Kälbern mit Geschwüren und Kälbern, die bereits innerhalb der ersten Lebenswoche an perforierenden Geschwüren gestorben sind. Häufig findet man in den Mägen der Tiere Trichobezoare. Dabei ist aber nicht klar, ob sie Auslöser der Erkrankung sind oder sich die Kälber aufgrund von Schmerzen vermehrt am Bauch abgeleckt haben.

Gezieltes Vorbeugen schwierig

Da die Krankheitsursachen so vielfältig sind, ist es schwierig den Landwirten gezielt Empfehlungen zu geben, wie sie Labmagengeschwüren vorbeugen können.
Ein wichtige Ansatz, ist es Stress zu vermeiden, etwa durch häufigen Gruppenwechsel. Stresssituationen beeinträchtigen grundsätzlich die Abwehrkräfte und führen auch zur verlangsamten Entleerung des Labmagens. Auch der unkritische und häufige Einsatz von NSAIDs sollte vermieden werden, ebenso deren Überdosierung.

Wichtig: gutes Tränkemanagement

Gutes Tränkemanagement – wichtig zur Vorbeugung von Labmagengeschwüren bei Kälbern. (Foto: WiSiTiA/jh)

Sehr wichtig ist nach Einschätzung von Dr. Corbett jedoch das Tränkemanagement. Als negativ für die Tiergesundheit bewertet er

  • unregelmäßige Tränkezeiten,
  • ungleichmäßige Tränkemengen,
  • unterschiedliche Tränketemperaturen,
  • unterschiedliche Trockenmassegehalte,
  • zu große Tränkemengen,
  • schlechte Qualität des Milchaustauschers,
  • schlampiges Reinigen von Tränkeeimern und Nuckel
  • sowie nur einmaliges Tränken pro Tag
  • und generell unsauberes Arbeiten.

Wer kann, sollte seinen Kälbern außerdem lieber Vollmilch geben als Austauscher, denn Studien haben gezeigt, dass die Verfütterung von Milch den Magen-ph nicht so stark absenkt wie Milchaustauscher.

Fazit: Wer gesunde Kälber möchte, sollte diese regelmäßig und unter Verwendung von hygienisch einwandfreien Geräten am besten mit Vollmilch füttern.

Quelle: Dairy Herd Managememt

Teilen
Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)