USA: Hunde töten mehr Kälber als Wölfe

Koyoten (Foto) sind in den USA für etwa die Hälfte aller Nutztierrisse verantwortlich. Auch Hunde töten noch mehr Kälber als Wölfe. (Foto: © pixabay/skeeze)

Wie gefährlich sind Wolf & Co für Nutztiere? Für Rinder und Kälber zeigen Zahlen aus den USA: Raubtiere spielen bei den Todesursachen absolut gesehen eher eine untergeordnete Rolle. Auch reißen Hunde mehr als doppelt so viele Kälber/Rinder wie Wölfe. Aber auch in den USA steigt trotz mehr Herdenschutz die Zahl der Raubtierrisse insgesamt deutlich an.

von Annegret Wagner

In den USA führt das Landwirtschaftsministerium (USDA) schon seit Längerem jährlich Statistiken zu den Todesursachen von Rindern und Kälbern: Im Jahr 2015 starben demnach 1,74 Millionen Rinder und 2,14 Millionen Kälber. Raubtiere haben an diesen Todesfällen aber nur eine kleinen Anteil:

  • 41.700 Rinder (schwerer als 225 kg / 2,4%)
  • und 238.900 Kälber fielen Raubtieren zum Opfer (11,1 %).

Betroffen sind vor allem Fleischrinder, die in den USA extensiv gehalten werden und dadurch weniger gut geschützt sind. Der Anteil der getöteten Kälber an den insgesamt verendeten Kälbern liegt in den Mutterkuhhaltungen bei fast 16 Prozent, während es bei den Milchrindern lediglich 1,2 Prozent sind.
Allerdings ist der Anteil der von Raubtieren gerissenen Kälber über die letzten 20 Jahre insgesamt kontinuierlich gestiegen: von 3,5 Prozent im Jahr 1995 auf derzeit elf Prozent. Bei den erwachsenen Tieren gab es prozentual keinen vergleichbaren Anstieg (1,3 auf 2,4%).
Insgesamt haben US-Farmer im Berichtsjahr 78 Millionen Rinder und 34 Millionen Kälber gehalten.

Deutschland: Keine bundesweite Statistik

Für Deutschland gibt es keine offizielle bundesweite Statistik der Nutztierrisse. Zuletzt hat die Neue Osnabrücker Zeitung die Länderdaten seit der Rückkehr des Wolfes im Jahr 2000 zusammengetragen (hier). Seitdem sollen Wölfe rund 3.600 Nutztiere, vor allem Schafe, gerissen haben: Die meisten in Brandenburg (1.106), in Sachsen (895) und in Niedersachsen (670) – Tendenz klar steigend.
So meldete Niedersachsen zum Jahreswechsel, dass sich die Zahl der Wolfsrisse von 2016 auf 2017 verdoppelt habe: 355 Weidetiere wurden 2017 gerissen. Davon konnten 142 eindeutig Wölfen zugeordnet werden (Vorjahr: 178 / 68 Wolf).

Verbreitung Wolfsrudel in Deutschland (Basis 2014/2015 – © BMUB/BfN)

Krankheiten und Umwelteinflüsse „tödlicher“ als Raubtiere

In den USA liegt bei den gestorbenen Kälbern das Verhältnis der Raubtierrisse zu anderen Todesursachen bei 11,1 zu 88,9 Prozent. Raubtiere stehen damit auf Platz fünf noch hinter dem Wetter. Weit tödlicher für Kälber sind Krankheiten:

  1. Pneumonien spielen die wichtigste Rolle (26,9 %),
  2. gefolgt von Komplikationen während der Geburt (17,8%)
  3. und Verdauungsstörungen (15,4%).
  4. Es folgen widrige Wetterverhältnisse wie Erfrieren, Ertrinken, Blitzschlag (13,7 %).
  5. Raubtiere sind für etwa 11 Prozent der Kälberverluste verantwortlich.

Bei den Todesfällen bei Rindern, gehen 2,4 Prozent auf das Konto von Raubtieren. Auch hier stehen

  • Pneumonien mit Abstand an erster Stelle (23,9%) der Todesursachen,
  • gefolgt von unbekannten Ursachen (14 %),
  • Altersschwäche (11,8%).
  • und widrigen Wetterbedingungen (9,3 %).

Zwei Drittel der Rinderbetriebe arbeiten in den USA mit Mutterkuhhaltung, was den vergleichsweise hohen Anteil der an „Altersschwäche“ gestorbenen Kühe erklärt.

USA: Kojoten und Hunde gefährlicher als Wölfe

Sowohl für Rinder als auch Kälber sind in den USA Kojoten die mit Abstand gefährlichsten Raubtiere. Doch auch Hunde töten noch mehr Kälber/Rinder als Wölfe (Platz 5 der identifzierten Predatoren).

  1. Kojoten sind für rund die Hälfte der tödlichen Raubtierangriffe verantwortlich: Bei Rindern für 40,5 Prozent und bei Kälbern für 53,1 Prozent.
  2. An zweiter Stelle stehen bei beiden Gruppen unbekannte Angreifer
  3. Hunde(!) belegen bei Rindern (11,3 %) den dritten und bei Kälbern (6,6%) den vierten Platz der gefährlichen Raubtiere.
  4. Umgekehrt ist es bei den Geiern: Sie verursachten 5,2 Prozent der Raubtieropfer bei Rindern und 10,3 Prozent bei Kälbern.
  5. Wölfe sind lediglich für 4,9 Prozent der tödlichen Angriffe auf Rinder und 3,4 Prozent der toten Kälber verantwortlich.

Hunde gefährlicher als Wölfe: Welche Raubtiere 2015 in den USA Rinder/Kälber töteten. (Grafik: © USDA)

Mehr tote Kälber trotz Herdenschutz

Auch in den USA können mehr Herdenschutzmaßnahmen nicht verhindern, dass mehr Nutztiere von Raubtieren gerissen werden. So hat sich zwar der Anteil der Tierbesitzer, die versuchen ihre Nutztiere mit Herdenschutzhunden, Zäunen oder nächtlichem Einstallen zu schützen (sogenannte „nicht-letale Schutzmaßnahmen“) zwischen 2000 und 2015 versechsfacht: von 3,1 Prozent auf 19 Prozent. Trotzdem hat sich im gleichen Zeitraum  die Zahl der von Raubtieren gerissenen Rinder und Kälber auch noch einmal etwa verdoppelt:

  • Rinder von 20.500 auf 41.700 tote Tiere
  • Kälber von 124.100 auf 238.900 tote Tiere

Auch der Abtransport verendeter oder getöteter Tiere von den Weiden – der in den  USA nicht generell gesetzlich vorgeschrieben ist – gehört zu den „Schutzmaßnahmen“, ebenso wie die Schlachtung alter Kühe, um Todesfälle durch Altersschwäche zu vermeiden. Beides soll dafür sorgen, dass Aas keine/weniger Raubtiere anlockt, die dann auch andere Tiere töten.

US-Zahlen nicht mit Deutschland vergleichbar

Die Situation in den USA ist mit der Deutschland schlecht zu vergleichen: Zum einen gibt es dort weit mehr verschiedene Raubtiere, die hierzulande nicht vorkommen (Kojoten, Geier, Schwarzbären, Grizzlies etc.), zum anderen hat das Land eine wesentlich geringere Bevölkerungsdichte und mehr Freilandhaltungen.
Interessant ist allerdings die Tatsache, dass Hunde deutlich mehr Kälber und Rinder töten als Wölfe.

Quelle:
Zahlen USA: US-Landwirtschaftsministerium (USDA)
Nutztierrisse in Deutschland: Neue Osnabrücker Zeitung

Weiterführende Informationen:
Daten und Fakten zum Wolf  (Bundesamt für Naturschutz/BfN)
Was tun bei Wolfsbegegnungen (Bundesumweltministerium)
Bericht des Bundesumweltministeriums zu Lebensweise, Status und Management des Wolfs in Deutschland (2015)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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