bpt: TÄHAV stoppen – teuer für Tierhalter – unsicher für Tierärzte

Resistenztestpflicht soll kommen – die Behandlung auch von Haustieren wird teurer. (Foto: © pxhere)

Mit 30 Millionen Euro Mehrkosten zu teuer für die Tierhalter und rechtlich unsicher für die Tierärzte – mit einem letzten Appell versucht der Bundesverband praktizierender Tierärzte die Politik doch noch zu überzeugen, die Neufassung der Tierärztliche Hausapothekenverordnung zu verschieben. Am Freitag (2.2.) entscheidet der Bundesrat.

Update 28.2.2018: Die TÄHAV ist ab 1.März 2018 in Kraft – aktuellster Bericht mit der finalen TÄHAV-Fassung

Update: 2.2.2018: Der Bundesrat hat der TÄHAV-Novelle ohne weitere Änderung zugestimmt – ebenso dem Entschließungsantrag: Die Bundesregierung möge ein Rabattverbot für Antibiotika beschließen und eine „Reserveantibotika“-Liste erstellen (nachzulesen hier unter TOP 18)

(bpt/PM) – Wenige Tage vor der Bundesratsentscheidung am 2. Februar (TOP 18) über die Tierärztliche Hausapothekenverordnung (TÄHAV), appelliert der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) noch einmal per Pressemeldung und Brief an die Ministerpräsidenten an die Politik, die Entscheidung zu vertagen und fachlich neu zu beraten:
Aus bpt-Sicht sind die Erfüllungskosten für die Tierhalter mit 20 Millionen Euro um zehn Millionen zu niedrig berechnet. Und es gebe weiter Rechtsunsicherheiten für Tierärzte, so dass letztlich Gerichte über die Umsetzung von Details der Verordnung (siehe unten) entscheiden müssten. Außerdem zeige ein mit der TÄHAV verknüpfter Entschließungsantrag (wir-sind-tierarzt-Bericht hier), dass sich eine Mehrzahl der Bundesländer nicht ausreichend mit der Materie auseinandergesetzt habe, sagt der bpt.

„TÄHAV-Entscheidung anhalten, zugunsten der rechtsunterworfenen Tierärzte und Tierhalter“ – bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder (Foto: © bpt)

Die Länder fordern ein „Verbot von Rabatten“, ignorierten dabei aber völlig, dass bereits ein aktuelles Gutachten im Auftrag der Bundesregierung belegt habe, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Rabatten für Antibiotika und der Entstehung von antimikrobiellen Resistenzen gibt. „Diese Beschlussfassung zeigt für mich, dass es notwendig ist, den noch unausgereiften TÄHAV-Entscheidungsprozess vorläufig anzuhalten, zugunsten der rechtsunterworfenen Tierärzte und Landwirte“, appelliert bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder.

Zu teuer für Tierhalter

Die TÄHAV-Novelle schreibt unter anderem vor, dass künftig beim Einsatz von wichtigen Antibiotika bei Tieren zusätzliche Antibiogramme erstellt und eine umfangreiche Dokumentation des Tierarztes erfolgen müssen. Die dafür anfallenden Kosten – im Einzelfall nach bpt-Berechnung bis zu ca. 80 Euro – müssen Landwirte, Kleintier- und Pferdehalter zusätzlich zu den bisherigen Behandlungskosten tragen. Die Verordnung rechnet mit 67 Euro und – aus bpt-Sicht – zu geringen Fallzahlen, so dass insgesamt mit rund 30 Millionen Euro Mehrkosten zu rechnen sei.

Den Entwurfstext der Verordnung des BMEL finden Sie als PDF hier – die Änderungswünsche der Länder hier.

TÄHAV-Ziel Antibiotikaminimierung überholt

Der bpt unterstütze zwar grundsätzlich das Erstellen von Antibiogrammen, damit konkret festgestellt werden kann, gegen welche Antibiotika ein bestimmter bakterieller Krankheitserreger resistent beziehungsweise sensibel sei.
Doch das ursprünglich beabsichtigte Ziel der TÄHAV-Novellierung, nämlich den sorgsamen Umgang der Tierärzte mit Antibiotika zu stärken und damit der Entstehung von Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken, sei von der Realität längst überholt worden, kritisiert der Verband.
Er argumentiert: Die Antibiotikaabgabemengen an Tierärzte hätten sich im Zeitraum 2011 bis 2016 um mehr als 50 Prozent reduziert. Auch bei den sogenannten kritischen Antibiotika sei ein kontinuierlicher Rückgang festzustellen (Zahlen hier).
„Eine Antibiotikaminimierung hat also auch ohne TÄHAV-Novelle längst stattgefunden, sodass die Verordnung kaum einen zusätzlichen Nutzen für die Verbesserung der Gesundheit von Tieren und Menschen hätte – außer die Kosten für die Tierhalter in die Höhe zu treiben. „Im Verordnungstext wäre deshalb zwingend zu erläutern, warum die jetzt vorgesehenen Maßnahmen der TÄHAV erforderlich und verhältnismäßig sind“, folgert bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder, „denn das BMEL begründet das bislang nicht.“

Rechtliche Unsicherheiten für Tierärzte

Der Verordnungsentwurf enthalte auch nach wie vor rechtlich ungeklärte Fragen. Es geht etwa um die Pflichten zur Antibiogrammerstellung, wenn die zugrundeliegende   Probenahme gar nicht durchgeführt werden kann. Oder auch um Wirktage bei Langzeitantibiotika, die weder die Zulassungsbehörden noch die Pharmafirmen bisher benennen, die der Tierarzt aber künftig verpflichtend dokumentieren soll.
„Das alles ist der Politik wohlbekannt. Doch statt die Beschlussfassung zu vertagen, bis alles Hand und Fuß hat, soll die unausgereifte Verordnung jetzt durch den Bundesrat gepeitscht werden. Das ist nicht nachvollziehbar“, kritisiert bpt-Präsident Moder.

Brief an die Ministerpräsidenten

Der bpt hat deshalb die Ministerpräsidenten angeschrieben und vorgeschlagen, die Entscheidung um vier bis sches Monate zu vertagen, um die Verordnung noch einmal sorgfältig zu diskutieren. „Am vernünftigsten wäre es sogar mit der Entscheidung bis nach dem Bericht der Bundesregierung zur Evaluierung der 16. AMG-Novelle im April 2019 zu warten“, sagt Moder. Denn nur so könne auf fachlich-wissenschaftlicher Grundlage letztendlich ein vernünftiger Schluss gezogen werden, ob und inwiefern die in 2013 neu eingeführten Antibiotika-Minimierungsmaßnahmen (§ 58 a – g Arzneimittelgesetz/AMG) erfolgreich waren und ob weitere Maßnahmen überhaupt notwendig sind.

Quelle:
Pressemeldung des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (30.1.2018)
weitere Quellen im Artikel verlinkt

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