FVE-Checkliste „Auslandstierschutz“: Tierärzte vor Ort respektieren

Europäischer Tierärzteverband: Ehrenamtliche Arbeit im Ausland – etwa Kastrationsaktionen – mit ortsansässigen Tierärzten absprechen. (Foto: © pixabay)

Viele Tierärzte engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich in Tierschutzprojekten – vielfach auch in Ost- und Südeuropa. Nicht immer ohne Konflikte mit einheimischen Tierärzte. Der Europäischen Tierärzteverband hat deshalb eine Checkliste für Tierärzte und Organisationen formuliert.

(aw) – Beim Europäischen Tierärzteverband (FVE) haben verschiedene Länder angemahnt, dass es einige, zum Teil ungezielte Hilfsaktionen ohne Einbeziehung der örtlichen Tierärzte und unter Missachtung geltenden Rechts gebe. Deshalb hat die FVE eine Checkliste für Tierärzte, Tiermedizinstudenten und Hilfsorganisationen (PDF/englisch) erstellt, die einige Grundlagen für eine faire Zusammenarbeit beschreibt.

Respektlos gegenüber Tierärzten vor Ort?

In der Einleitung schreibt die FVE: Leider beobachte man einige Wohltätigkeitsorganisationen, die ungeregelt arbeiteten, die örtlichen Veterinärbehörden oder -gemeinschaften nicht beteiligten und auch die lokalen rechtlichen Vorgaben nicht einhielten. Das von der FVE-Generalsversammlung verabschiedete Papier sieht darin eine potentielle Gefahr, sowohl für die Freiwilligen als auch die Tiere. Ein solches Verhalten sei außerdem respektlos gegenüber den Kollegen vor Ort. Ehrenamtliche Tätigkeiten sollten den ortsansässigen Tierärzten keine Konkurrenz machen, sondern in Absprache erfolgen.

Checkliste – worauf Tierärzte achten sollten

Tierärzte oder Tiermedizinstudenten, die bereit sind für ein Hilfsprojekt im Ausland zu arbeiten, sollten folgende Punkte klären:

  • Was ist über die Hilfsorganisation bekannt?
    Ist sie gemeinnützig oder in anderer Form rechtlich etabliert und verfügt über die nötigen Genehmigungen?
  • Darf ich in diesem Land rechtmäßig arbeiten?
    In der EU werden Abschlüsse anderer Mitgliedsstaaten in der Regel anerkannt. Eine Tätigkeit (auch ehrenamtlich) muss aber bei den zuständigen Behörden im Vorfeld angezeigt werden. Das soll sicher stellen, dass eine ausreichende Qualifikation besteht und diese anerkannt wird. In der Regel ist für die Anzeige ein Nachweis der Nationalität, ein Bestätigung der Berufsqualifikation und der Nachweis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung (siehe unten) nötig.
  • Welche arbeitsrechtlichen Belange betreffen mich?
    Als Tierarzt muss man die Vorschriften des jeweiligen Landes kennen und sich entsprechend verhalten. Zur grenzüberschreitender Arbeit von Tierärzten hat die EU Absprachen getroffen, die die FVE in diesem Papier zusammenfasst/erläutert (englisch).
  • Wie sieht der Standard im Bezug auf gute veterinärmedizinische Praxis aus?
    Als Tierarzt sollte man sich vorab informieren, ob passende Räumlichkeiten zur Durchführung von OP’s vorhanden sind, ob die Möglichkeit zum sterilen Arbeiten besteht und ob alle benötigten Medikamente zur Verfügung stehen. Außerdem sollte man die örtlichen Rechtsvorschriften kennen, denn in einigen Ländern ist beispielsweise das Einschläfern von Tieren nicht erlaubt
  • Was ist meine Tätigkeitsbeschreibung?
    Es sollte unbedingt im Vorfeld abgeklärt werden, welche Tätigkeiten beherrscht werden müssen und an wen man sich im Problemfall wenden kann. Tiermedizinstudenten müssen unter Aufsicht arbeiten, daher sollten sie sich vorab informieren, ob entsprechend qualifizierte Kollegen bereit stehen. Außerdem müssen Studenten erfragen, ob und in welchem Umfang sie überhaupt in einem anderen Land (unter Anleitung) praktizieren dürfen.
  • Werde ich in kollegialer Weise mit anderen Tierärzten oder Organisationen zusammen arbeiten können?
    Unbedingt nachfragen, ob örtliche Tierärzte in das Projekt eingebunden sind und über welchen Zeitraum sich das Engagement bewegt. So kann sicher gestellt werden, dass Wert auf eine nachhaltige Lösung der bestehenden Missstände gelegt wird.
  • Werde ich in einem Risikogebiet arbeiten?
    Reisen und arbeiten im Ausland kann mit erheblichen gesundheitliche Gefahren verbunden sein. Zunächst sind die landestypischen Infektionskrankheiten abzuklären, dazu kommen aber auch Zoonosen bei den Tieren, z.B. Tollwut. Es sollten unbedingt die Reisewarnungen berücksichtigt werden und für eventuelle Notfälle braucht man einen Ansprechpartner vor Ort. Interessenten müssen sich außerdem darüber informieren, ob und welche Impfungen unter Umständen für das entsprechende Zielland nötig sind.
  • Wie bin ich versichert?
    Zu klären ist, ob die Organisation eine Reiseversicherung für jeden Teilnehmer abgeschlossen hat und was diese Versicherung abdeckt. Unerwartete Gesundheitsprobleme können im Ausland richtig teuer werden.
  • Bin ich versichert wenn etwas schief geht?
    Fehler bei der eigenen Arbeit kann niemand ausschließen. Es muss daher abgeklärt werden, welcher Haftpflichtversicherungsschutz notwendig ist. Reicht die heimische Haftpflichtversicherung aus oder ob eine zusätzliche Haftpflichtversicherung notwendig ist oder bin ich über die Organisation abgedeckt?
  • Welche Medikamente darf ich mitnehmen / im Zielland anwenden? Wie werden diese gesetzeskonform gelagert? In der Regel dürfen nur solche Medikamente angewendet werden, die in dem entsprechenden Land zugelassen sind. Für rechtliche Regelungen innerhalb der EU verweist die FVE auf ein entsprechendes Papier, für Tätigkeiten im Ausland außerhalb der EU sollte man sich vorher erkundigen.
  • Hat meine Arbeit einen nachhaltigen Effekt auf die Tiergesundheit und die Menschen vor Ort?
    Wer seine Freizeit opfert, möchte normalerweise die Situation vor Ort auch wirklich verbessern. Daher sollte im Vorfeld abgeklärt werden, ob das Projekt auch tatsächlich hilfreich ist und nicht etwa Anreize neue Tierquälerei liefert oder negativ in die örtliche Tierärztestruktur eingreift.

Checkliste – was Hilfsorganisationen erfüllen sollten

Die FVE hat auch einige Punkte formuliert, die gemeinnützige Organisationen erfüllen sollten, die tierärztliche Tätigkeiten in anderen Ländern ausführen:

  • Die Organisation ist rechtmäßig eingetragen, verfügt über ausreichende finanzielle Mittel. Auch dokumentiert sie die Geldflüsse ausreichend transparent, um zu garantieren, dass Spendengelder so verwendet werden, wie es von den Geldgebern beabsichtigt ist.
  • Alle Projekte werden sorgfältig geplant und eine Risikoabwägung sowie eine Evaluierung vorgenommen. Es muss sichergestellt werden, dass alle Freiwilligen im Notfall kontaktiert werden können und wie diese Kommunikation erfolgen soll.
  • Ortsansässige Tierärzte und zuständige Behörden sind in das Projekt eingebunden und unterstützen es.
  • Vorzugsweise sollte mit Einheimischen zusammengearbeitet werden, um vor Ort Fähigkeiten und Wissen zu fördern. So profitiert die örtliche Gemeinschaft, in der gearbeitet wird.
  • Wer mit ausländischen Freiwilligen arbeitet, muss sicherstellen, dass nationales Arbeitsrecht eingehalten wird und die Freiwilligen legal beschäftigt sind.
  • Alle tierärztlichen Tätigkeiten müssen im Sinne der guten tierärztlichen Praxis (good veterinary practice / GVP) vorgenommen werden.
  • Mitarbeiter müssen ausreichend vor Gesundheitsrisiken, zum Beispiel Infektionskrankheiten oder Arbeitsunfällen geschützt werden.
  • Es muss sichergestellt sein, dass alle Freiwilligen über eine Reiseversicherung und eine dem Land entsprechende Haftpflichtversicherung verfügen.
  • Alle Freiwilligen müssen im Vorfeld eine genaue Beschreibung der Arbeitsanforderungen erhalten und eine Ansprechstelle im Falle von Problemen haben.
  • Wer mit ortsansässigen Organisationen zusammen arbeitet muss sicherstellen, dass diese vertrauenswürdig sind und die Mitarbeiter keinen unnötigen Risiken ausgesetzt sind.

Quelle:
FVE-Checklist for charities, veterinarians and veterinary students: Charity work in the field of veterinary medicine (PDF-Download)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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