Ab 2018: Videoüberwachung in englischen Schlachthöfen Pflicht

Europaweit haben Tierschützer mit Videoaufnahmen aus Schlachthöfen Druck aufgebaut. Großbritannien macht jetzt eine Videoüberwachung zur Pflicht. (screenshot Video belgischer Schlachthof: © Roderique Bouw/Animal Rights)

Großbritannien wird im Frühjahr 2018 auf Schlachthöfen eine verpflichtende Videoüberwachung einführen. Überall, wo sich lebende Tiere aufhalten, werden Kameras installiert. Die Amtsveterinäre erhalten 90 Tage lang uneingeschränkten Zugriff auf die Aufnahmen.

von Jörg Held

Schon im August 2017 hatte das britische Landwirtschaftsministerium angekündigt, Schlachthöfe zu einer Videoüberwachung verpflichten zu wollen und dazu eine öffentliche Anhörung gestartet. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.
Die Rückmeldung bezeichnet Michael Gove, Staatssekretär im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, als „extrem positiv“: Über 99 Prozent der rund 4.000 Befragten sprachen sich für die Installation von Kameras aus.
Entsprechend schnell soll das Gesetz in Kraft treten: Ab Frühjahr 2018 wird eine Videoüberwachung Pflicht. Die Schlachthöfe haben dann sechs Monate Zeit, die Anlagen zu installieren.
Auslöser für das geplante Gesetz waren schockierende Bilder aus Schlachthöfen, die Tierschützer erstellt hatten. (wir-sind-tierarzt-Bericht hier)

Wichtig: Tierärzte haben 90 Tage lang uneingeschränkter Zugriff auf die Videoaufnahmen. (Foto: ©pixabay)

Eckpunkte der Videoüberwachung

  • Die sogenannten CCTV-Kameras (= closed circuit television) werden alle Schlachthofbereiche überwachen, in denen sich lebende Tiere befinden
  • Amtliche Tierärzte haben uneingeschränkten Zugriff auf die Aufnahmen
  • Die Aufnahmen werden für 90 Tage gespeichert

In Großbritannien haben Schlachthöfe zwar bereits zum Teil freiwillig Kameras installiert – das gilt für die Hälfte der Rinder/Schweineschlachthöfe und 70 Prozent der Schlachthöfe für Geflügel. Das Bildmaterial wurde aber bisher nur intern ausgewertet und gelangte nicht an die Öffentlichkeit. Die Firmen haben die Videos eher genutzt, um Fleischdiebstähle zu verhindern, nicht aber um Tierschutzverstöße zu ahnden. Das konnten Tierschützer belegen, indem sie eigene Kameras neben betriebsinternen installierten.

50 Prozent der Schlachthöfe für Videopflicht

In der Anhörung votierten die Schlachthofbetreiber je zur Hälfte für und gegen die Videoüberwachung. Alle anderen Beteiligten – Tierärzte, Landwirte, Tierschutzorganisationen und die nicht-landwirtschaftliche Öffentlichkeit – befürworteten die Kamerainstallation einhellig: von 3.838 stimmten nur 19 mit „Nein“.

Tierärzteverband:

Der Britische Tierärztverband (BVA) begrüßt die Videoüberwachung ausdrücklich. Man habe lange Jahre dafür gekämpft. Allerdings dürfe die Videoüberwachung nicht die Präsenz der Amtstierärzte in den Schlachthofbereichen ersetzen.
BVA Senior Vice Präsidentin Gudrun Ravetz sagte: „Die verpflichtende Videoüberwachung ist ein wichtiges Instrument, um in allen Schlachthöfen hohe Standards für Tiergesundheit, Tierschutz und Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten.“ Bislang können amtlichen Tierärzte schlicht nicht überall gleichzeitig anwesend sein. Durch den uneingeschränkte Zugang zu den Aufnahmen könnten sie aber künftig Tierschutzverletzungen objektiver bewerten und melden.
Den Tierarztverbänden war wichtig, dass alle Bereiche im Schlachthof, in denen sich lebende Tiere aufhalten, per Video überwacht werden.
Die Tierärzte schlagen aber auch vor, vor der Installation von Kameras, das Schlachtpersonal noch einmal für den tierschutzgerechten Umgang mit den Tieren zu qualifizieren.

Umgekehrt könnten die Amtsveterinäre (Official Vets) künftig auch stärker angreifbar sein. Tierschützer haben sie schon bisher dafür kritisiert, dass sie sich die bereits existierenden Aufzeichnungen nicht im Nachhinein angesehen und entsprechend auf Verstöße reagiert hätten.

Umstrittene Speicherfrist

Gegen die 90-Tage-Speicherfrist stimmten bei der Anhörung 177 Befragte, vor allem von der Schlachthofseite. Dort hatte eine Mehrheit eine Aufzeichnungsfrist zwischen sieben und 14 Tagen favorisiert.
Auch den ungehinderten Zugang zu den Bildern hatten acht von 13 Schlachthofbetreibern abgelehnt. Der aber war für die ganze große Mehrheit in der Anhörung ein entscheidendes Kriterium (nur 29 Nein-Stimmen) – insbesondere für Veterinäre (100% Ja) und Landwirte (97% Ja).

Gesamtkosten: 735.000 Euro

Da viele britische Schlachthöfe bereits Kameras installiert haben, sollen sich, so prognostiziert es die Regierung, die Kosten im Rahmen halten. Diese Betriebe müssten mit umgerechnet etwa 565 Euro für die Beobachtung neuer Bereiche rechnen. Ein Schlachthof, der erstmals Kameras installiert, müsse Kosten von knapp unter 3.000 Euro kalkulieren. Insgesamt veranschlagt das Ministerium Kosten von 650.000 Pfund (735.000 Euro).

Quellen:
Pressemeldung des britischen Landwirtschaftsministeriums (12.11.2017)
Ergebnisse der Regierungsumfrage zur Videoüberwachung in Schlachthäusern (PDF-Download)

 

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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