USA: Zuchtziel Gesundheit bei Milchkühen stärker gewichten

Holstein Friesian (HF), die in Deutschland am häufigsten eingesetzte Rasse, gilt als Synonym für leistungsstarke Milchkühe. (Foto: © Les Meloures at lb.wikipedia)Holstein Friesian (HF), die in Deutschland am häufigsten eingesetzte Rasse, gilt als Synonym für leistungsstarke Milchkühe. (Foto: © Les Meloures at lb.wikipedia)

In den USA steht eine Veränderung der Zuchtziele bei Holstein-Friesian Rindern an. Ab April 2018 will man sechs Gesundheitsparameter bei der Beurteilung von Zuchtbullen stärker berücksichtigen. Typisch amerikanisch wurde auch gleich der „geldwerte Vorteil“ gesünderer Kühe berechnet.

(aw) – Auch in Deutschland wird seit einiger Zeit darüber gestritten, wie gesund Milchkühe tatsächlich sind (Berichte hier). Zugespitzt auf den Begriff „Turbo-Kuh“ geht es um Tiere, die eine sehr hohe Leistung erbringen und dafür mit einem relativ kurzen Leben (unter fünf Jahren) bezahlen. Hohe Leistungen in Kombination mit nicht angemessener Fütterung führen unter anderem zu Stoffwechsel- und Fruchtbarkeitsproblemen, die sich nur schwer therapieren lassen.

Neue Zuchtziele in den USA

In Deutschland steht nach wie vor die Milchleistung im Mittelpunkt der Zuchtwertschätzung. Auch wenn es immer wieder Teilnehmer tierärztlicher Tagungen gibt – zuletzt hier (2017) und hier (2016) –, die einen relativen Gesamt‐Zuchtwert (RZ) für Gesundheit (RZ-Gesundheit) dringend für angezeigt halten.
Die US-amerikanische HF-Zucht geht einen neuen Weg. Ab April 2018 sollen sechs Gesundheitsparameter bei der Beurteilung von Holstein-Friesian Zuchtbullen berücksichtigt werden. Experten des Council of Dairy Breeding haben sich auf folgende Erkrankungen geeinigt:

  • Hypokalzämie
  • Labmagenverlagerung
  • Ketose
  • Mastitis
  • Metritis
  • Nachgeburtsverhaltung

Einordnung der sechs Krankheiten in Zuchtwertzusammenhänge. (Tabelle: © CDCB)

Die Beurteilung erfolgt in Prozentpunkten (siehe Tabelle). Positive Vorzeichen bedeuten, dass eine überdurchschnittliche Resistenz gegen die jeweilige Krankheit besteht, bei negativen Vorzeichen tritt die entsprechende Krankheit überdurchschnittlich häufig bei den Nachkommen eines Bullen auf.

Anreiz: Krankheitskosten

Anreiz für eine Zucht auf mehr Gesundheit: Die Amerikaner haben die „Krankheitskosten“ je Tier berechnet. (Tabelle: © CDCB)

Die Gesundheitsmerkmale werden auch bei der Wirtschaftlichkeitsbewertung der Tiere berücksichtigt. So kann der Landwirt abschätzen, welchen finanziellen Vorteil ein gesünderes Tier bedeutet.

Heritabilität relativ gering

Die Heritabilität der einzelnen Merkmale ist zwar relativ gering und beträgt o,6% für Hypokalzämie, 1,1% für Labmagenverlagerungen, 1,2 % für Ketose, 3,1 % für Mastitis, 1,4 % für Metritis und 1 % für Nachgeburtsverhaltungen. Trotzdem halten es die Amerikaner für sinnvoll, diese Krankheiten im Auge zu behalten, denn die Merkmale addieren sich und bleiben zudem im Genpool verankert. Mit der Zeit und über mehrere Generationen lasse sich tatsächlich die Krankheitsanfälligkeit verbessern.

Heritabilität der sechs Rinderkrankheiten, die in den USA bei der HF-Zucht stärker berücksichtigt werden sollen. (Tabelle: © CDCB)

Einige Parameter korrelieren stark mit bereits erfassten Eigenschaften, etwa Mastitis und Zellzahl oder Labmagenverlagerung und Langlebigkeit.

Bewertung ab April 2018 öffentlich

Die Bewertung der verschiedenen Gesundheitsmerkmale für getestete Tiere erfolgt ab Dezember 2017, doch diese Ergebnisse werden nicht vor April 2018 veröffentlicht. Zugang zu den Daten haben zunächst nur die Institute, die die Tierdaten verarbeiten, die Besamungsstationen die die jeweiligen Tiere besitzen, die Zuchtverbände und diejenigen, die für ihre Tiere eine Genomtypisierung vornehmen lassen.
Zunächst wird sich das US-Programm auf HF-Rinder beschränken, soll aber bei breiterer Datenlage auf andere Rassen ausgeweitet werden.

Quelle:
US Council of Dairy Cattle Breeding (PDF-Download)

Teilen
Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)