Die Wirkung von Gras nachahmen – EMS-Nachweis bei Hufrehe

Endokrinologische Entgleisungen sind der häufigste Auslöser einer Hufrehe bei Ponies und älteren Pferden. Teil 2  der Serie zu Diagnose und Therapie beschäftigt sich mit EMS.

von Annegret Wagner

Teil 1: PPID (Pituary Pars Intermedia Dysfunction, früher: ECS)

Das Equine Metabolische Syndrom (EMS) ist die zweite endokrinologische Erkrankung die mit dem Auftreten einer Hufrehe in Verbindung gebracht wird. Auch diese Erkrankung geht mit einer Hyperinsulinämie einher, die in diesem Falle durch eine Insulinresistenz verursacht wird. Auf den 28. Bayrischen Tierärztetagen berichtete DipECEIM Dr. Anna May aus der Klinik für Pferde der LMU München über Diagnose und Therapie.

„cresty neck check“ – Verfettungsgrad beurteilen

EMS-Indikator: 5-stufiges Schema zur Beurteilung des Verfettungsgrades am Halsansatz. (Schema: Vortrag Anna May / Bay. Tierärztetage 2017)

Ein typisches Anzeichen von EMS ist die generalisierte oder regionale Verfettung, vor allem am Nacken („cresty neck“), dem Schwanzansatz, den Schultern und eventuell an Präputium oder Euter. Es gibt aber auch „schlanke“ Formen des EMS. Daher sollte auch bei normalgewichtigen Pferden mit Hufrehe differentialdiagnostisch an EMS gedacht werden.
Zur Beurteilung des Verfettungsgrades wird der Hals/Nacken der Pferde heran gezogen und auf einer Skala von 0 bis 5 eingeordnet (siehe Schema).

„Dynamische“ Tests

Fettgewebe ist ein aktives endokrines Organ, das Adipokinine sekretiert und Zytokine freisetzt. Die im Zusammenhang mit EMS auftretende Insulinresistenz beruht auf einer Kombination aus lokaler oder systemischer Entzündung, der Dysregulation des lokalen Glucocorikoid-Stoffwechsels, oxidativem Stress und Fettfreisetzung.
Der Nachweis des EMS kann über Einzelblutwerte, also Nüchtern-Glukose oder Nüchtern-Insulin erfolgen. Bei milden Krankheitsformen sind diese Nachweise allerdings  nicht besonders aussagekräftig.
Darüber hinaus gibt es sogenannte „dynamische Tests“ wie den Insulin Tolerance Test (ITT) und Testmethoden, die die Fütterung einbeziehen.

Bewährt: Der In-Feed Glucose Test

In praxi hat sich hier nach Ansicht von Dr. May vor allem der In-Feed Glucose Test aus Großbritannien bewährt. Durch ihn wird eine bessere Evaluierung einer Insulin-Dysregulation möglich, da er die Wirkung von Gras nachahmt.

Gute Evaluierung einer Insulin-Dysregulation: In Feed Glucose Test. (Folie: Vortrag Anna May / Bay. Tierärztetage 2017)

Zur Testvorbereitung lässt man die Pferde über Nacht hungern und füttert dann Häckselstroh, das mit einem Gramm Glukose-Pulver pro Kilogramm Lebendgewicht des Pferdes vermischt wird. Die Pferde nehmen diese Rezeptur in der Regel problemlos auf. Zwei Stunden nach der Fütterung wird dann eine Blutprobe zur Insulin- und Glukose-Bestimmung entnommen.

Therapie: Abnehmen durch Gabe von Levothyroxin-Natrium

Die Therapie des EMS besteht zunächst in einer Reduktion des Übergewichts und einer Behandlung der Hufrehe. Diese Kombination verkompliziert aber den Behandlungserfolg, denn die beste Gewichtsreduzierung lässt sich über Bewegung erreichen. Die aber ist bei Rehe-Patienten problematisch. Die Therapie sollte auch eine Verbesserung der Insulinsensitivität beinhalten und die Erfolge des Gewichtsverlust dokumentieren, damit es nicht zu einer erneuten Verfettung der Tiere kommt.

Zur Körpergewichtsabnahme und Anhebung der Insulinsensitivität kann Levothyroxin-Natrium eingesetzt werden. Es erhöht den metabolen Umsatz und führt bei entsprechender Fütterung so zu einer Gewichtsabnahme. Darüber hinaus senkt es die Zirkulation von Lipiden und führt nach Gabe über etwa acht Wochen zu einem messbaren Anstieg der Insulinsensitivität. Die Dosierung liegt bei 0,1 mg pro kg Körpergewicht (Pferde rund 48 mg/Tag, Ponies 24 mg/Tag). Das Medikament sollte so lange gegeben werden, bis der ideale BCS (body condition score) erreicht ist. Zusätzlich sollten die Pferde Auslauf haben.
Eine Behandlung mit Metformin ist nach Ansicht von Dr. Anna May nicht effektiv, weil der Wirkstoff eine schlechte Bioverfügbarkeit aufweist.

Teil 1 der Serie zur endokrinologischen Differenzierung der Hufrehe – PPID (Pituary Pars Intermedia Dysfunction, früher: ECS) lesen Sie hier

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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