Tierheimtiere einschläfern müssen: Selbstmord einer Tierärztin

Nicht viermittelbare Tierheimtiere töten? Die Debatte flammt immer wieder auf. Jetzt verknüpft mit dem Selbstmord einer Tierärztin. (Foto: © ulleo/pixabay)

Der Selbstmord einer Tierärztin in Taiwan beschäftigt aktuell die Medien: Sie hatte sich 2016 umgebracht, weil sie massenhaft Tierheim-Tiere einschläfern musste. Jetzt hat Taiwan diese Praxis verboten. Doch die Debatte um die Tötung überzähliger Tierheimtiere betrifft nicht nur Asien, das ist auch in den USA oder Frankreich üblich.

(jh) – Die Tierärztin Chien Chih-cheng (31) hatte in einem Tierheim in Taoyuan (Taiwan) gearbeitet. Im Fernsehen berichtete sie, dass sie in zwei Jahren etwa 700 Hunde habe einschläfern müssen – obwohl sie als Veterinärin die Tiere eigentlich immer schützen wollte. Danach brandmarkten Tierschutzaktivisten sie als „Schlächterin“, auch andere Medien kritisierten sie hart. In ihrer Verzweiflung setzte sie im Mai 2016 ihrem Leben mit demselben Medikament ein Ende, mit dem sie auch die Tiere töten musste. Am Selbstmord der Tierärztin entzündete sich in Taiwan eine Debatte um ein Verbot der Tötungspraxis in Tierheimen.  (Berichte auf Spiegel-online / DRadioWissen).
In Frankreich oder den USA aber werden weit mehr „überzählige“ Tierheimtiere getötet (Zahlen Sie unten).

Taiwan verbietet jetzt Tötung in Tierheimen

Jetzt haben Taiwans Behörden reagiert: Nach einer langen Übergangsphase dürfen künftig in den Tierheimen keine Tiere mehr eingeschläfert werden. Noch im Jahr 2016 wurden nach amtlichen Angaben von fast 65.000 Tierheimtieren rund 8.000 eingeschläfert. Die Zahlen gingen aber zurück: 2014 waren es von fast 95.000 Tieren noch etwa 25.000. Dafür kostet die Abgabe eines Tieres im Tierheim jetzt über 100 Euro. Das dürfte das Problem eher verlagern.

USA: Jährlich drei Millionen Einschläferungen im Tierheim

Die Praxis, Tiere in überfüllten Tierheimen zu töten, betrifft aber nicht nur Asien: In amerikanischen Tierheimen werden jedes Jahr fast drei Millionen Hunde und Katzen eingeschläfert. Das sind 8.000 pro Tag, berichtet das SZ Magazin im August 2016. Das bedeutet: Von etwa 7,6 Millionen Hunden und Katzen, die jährlich in US-Tierheimen landen, kommen mehr als ein Drittel der Hunde und vierzig Prozent der Katzen nicht mehr lebend heraus.

Frankreich: Tötung nach 10 Tagen erlaubt

Auch in Frankreich dürfen Tierheimtiere nach Ablauf von zehn Tagen vermittelt oder – wenn das (wie meistens) nicht gelingt – ganz legal getötet werden. Das tun die Tierheime auch, berichtet der WDR 2016. Zum einen seien sie hoffnungslos überfüllt, zum anderen übernehmen die Gemeinden in Frankreich die Tierheimkosten nur für eben diese zehn-Tages-Frist. Danach ist das Tier Eigentum des Tierheims, und das muss die weiteren Kosten tragen. Das Einschläfern nicht vermittelbarer Tiere wird dadurch fast unumgänglich. Offizielle Zahlen über die jährlichen Einschläferungen in Frankreich gibt es nicht. Schätzungen liegen zwischen 50.000 und 500.000 pro Jahr.

Deutschland: Tierschutzgesetz verbietet Tötung

In Deutschland verbietet das Tierschutzgesetz die Tötung eines gesunden Tieres „ohne vernünftigen Grund“. Selbst extreme Kosten gelten dabei nicht als ein solcher. So sind nach einem NDR-Bericht beispielsweise in der Gemeinde Staufenberg (Hessen) binnen fünf Jahren für zwei Kampfhunde über 35.000 Euro an Unterbringungskosten aufgelaufen. Die Staffordshire-Terrier waren nicht vermittelbar, da sie einen Menschen gebissen hatten. Der Bürgermeister ließ die – laut Angaben der betreuenden Tierpension gesunden – Hunde daraufhin einschläfern. Die Staatsanwaltschaft wertete das als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Sie erließ gegen ihn und den Tierarzt, der der die beiden Kampfhunde eingeschläfert hatte, einen Strafbefehl von je 40 Tagessätzen zu 90 Euro – insgesamt 3.600 Euro Geldstrafe.

„Gefährliche Hunde“ dürfen eingeschläfert werden

Eine generelle „Tötungserlaubnis“ wie in den USA oder Frankreich gibt es also in Deutschland nicht. Allerdings dürfen „gefährliche Hunde“ eingeschläfert werden. Diese Gefährlichkeit müssen aber Amtstierärzte etwa nach Beißvorfällen ausdrücklich feststellen. Tierschutzverbände beobachten die Zahlen der deswegen getöteten Tiere sehr kritisch. So zuletzt in Hessen mit einer parlamentarischen Anfrage. Demnach sollen dort seit 2008 nie mehr als drei Hunde im Jahr eingeschläfert worden sein.

„Tötung überzähliger Katzen kein Holocaust“

Für Katzen hat zuletzt ein Kommentar in der FAZ – neben einer Katzensteuer sowie Kastrationsaktionen- und Chippflicht – auch die mögliche Tötung wieder zur Diskussion gestellt: „Man könnte damit aufhören, den Holocaust zu beschwören, wenn sich ein Tierheim dazu entschließt, überzählige Katzen einzuschläfern, weil es restlos überfüllt ist.“

Welche Folgen solche Massentötungen gesunder Tiere dann für die Tierärzte haben kann, die diese Tiere einschläfern müssten – siehe den Fall Chien Chih-cheng in Taiwan – wird aber nicht mitdiskutiert.

Quellen:
Medienberichte – alle im Artikel verlinkt

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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