Tierärztin an illegalem Hundehandel beteiligt?

Seit langem setzen sich Tierärzte gegen illegalen Welpenhandel ein. Bei einer groß angelegten Razzia gegen Hundehändler ist nun ausgerechnet eine Kollegin ins Visier der Ermittlungen geraten. Sie soll das Geschäft gedeckt und Impfausweise gefälscht haben. (aktualisiert 17.12.2016)

(hh) – Ein Informant aus dem direkten Täterkreis, der sich an die Tierschutzorganisation Vier Pfoten gewandt hatte, gab die entscheidenden Hinweise. Nach monatelangen Ermittlungen durchsuchte die Polizei schließlich mit 60 Mann das Grundstück der Hundehändler in Kreuztal (Kreis Siegen-Wittgenstein/NRW).
Seit Jahren soll ein Hundehändlerring hunderte Welpen in Osteuropa billig aufgekauft und mit neuen, gefälschten Papieren an deutsche Kunden wieder verkauft haben. Die Preise hätten je nach Rasse bei über tausend Euro gelegen. Außerdem, so berichten BILD und weitere Medien übereinstimmend, sei eine 48jährige Tierärztin aus Hessen verhaftet worden. Sie habe die Geschäfte des Tierhändlerehepaares gedeckt, indem sie Impfpapiere gefälscht habe.
Die Staatsanwaltschaft prüfe auch, ob gegen Beamte des Veterinäramtes des Kreises Siegen-Wittgenstein ermittelt werden müsse. Sie hätten „in der Vergangenheit eigenartigerweise nie Mängel bemerkt“. Die Behörden verwehren sich gegen die Vorwürfe: Es habe Auflagen für den Händler gegeben.

60 Polizisten durchsuchten das Grundstück der Hundehändler in Kreuztal. (Foto: © B. Baumöller/Vier Pfoten)

60 Polizisten durchsuchten das Grundstück der Hundehändler in Kreuztal. (Foto: © B. Baumöller/Vier Pfoten)

Haftbefehle erlassen

Gegen fünf Tatverdächtige gibt es bereits Haftbefehle: Vier wurden direkt festgenommen, eine flüchtige Mitarbeiterin einen Tag später in Köln verhaftet. Sie sollen hunderte Welpen in Polen und Rumänien für 80 bis 100 Euro angekauft, dann Stammbäume gefälscht und die Tiere für über 1.000 Euro an deutsche Kunden als eigene Zucht verkauft haben. Jetzt zur Weihnachtszeit sei Welpenhandel ein lukratives Geschäft. „Es geht um organisierte Kriminalität“, sagt laut WAZ Polizeisprecher Lars Detmer.
Zeitgleich zu der Aktion im Siegerland wurde auch ein Hundezuchtbetrieb in Bayern durchsucht. Es gebe noch eine Reihe weiterer Beschuldigter im ganzen Bundesgebiet, teilte die Hagener Staatsanwaltschaft mit. Zum Händlerring sollen neben Züchtern auch mehrere Tierärzte gehören.

Kadaver verscharrt

Weil die Hunde zu früh von den Muttertieren getrennt wurden, erkrankten immer wieder Tiere, einige starben sogar. Die Kadaver sollen dann einfach hinterm Haus verscharrt worden sein. Die Polizisten wollen deshalb auch den Garten des Anwesens im Wald umgraben.
Ein Ermittler: „Wir haben uns durch Scheinkäufer Zutritt zum Gelände verschafft, das Anwesen ist ja durch Elektrozaun und mit freilaufenden Hunden gesichert. So konnten wir ungefährdet mit unseren Kräften eindringen.“
Die Zwinger waren für maximal 30 Tiere zugelassen, sichergestellt wurden aber 108 Hunde, davon 20 Welpen. Diese werden auf Tierheime in NRW und Hessen verteilt.

108 Hunde holten die Beamten aus der Zwingeranlage die für 30 Tiere ausgelegt war. (Foto: © B. Baumöller/VierPfoten)

108 Hunde holten die Beamten aus der Zwingeranlage, die für 30 Tiere ausgelegt war. (Foto: © B. Baumöller/VierPfoten)

„Züchter“ schon einmal angezeigt

Berichten zufolge hat es bereits vor einigen Jahren nach Anzeige durch Animals Rights Watch Ermittlungen gegeben. „Der Kreis stützte damals den Betrieb: Die Hundezucht erfülle ,alle Bedingungen‘, die das Tierschutzgesetz für die Zulassung von Hundezucht und -handel verlange“, schreibt die WAZ. Die Tierschützer hatten bereits gegen die Züchter geklagt. Dabei sei herausgekommen, dass der angebliche Familienbetrieb allein in zehn Jahren über 3.000 Welpen verkauft habe. Schon 2004/2005 war eine Tierärztin beteiligt: Sie hatte gemeinsam mit den Beschuldigten den Antrag auf Erlaubnis für eine Hundezucht gestellt.

Bei Ebay wurden die Tiere aus Massenzucht und dreckigen Zwingern als „Rassehundewelpen liebevoll in Haus und Garten aufgezogen“ beworben.

wir-sind-tierarzt.de meint:

(hh) – Dass ausgerechnet eine Tierärztin den Handel gedeckt haben soll und womöglich weitere beteiligt sind, ist traurig und enttäuschend.
Dabei setzen sich gerade Tierärzte intensiv mit dem Thema auseinander. Aktuell führt die Bundestierärztekammer (BTK) eine Initiative gegen Welpen unter dem Weihnachtsbaum. Und vor kurzem erst deckte eine Kollegin einen organisierten Wellenhandel auf. Aber auch da war leider ein Tierarzt der Lieferant.

Quellen:
Medienberichte im Text verlinkt
Pressemeldung der Tierschutzorganisation Vier Pfoten

Beitragstitelbild: Screenshot BILD-Zeitung
Beitragsbilder: B. Baumöller/Vier Pfoten

Teilen
Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)