Antibiotikaresistenzen durch Desinfektionsmittel

Clorhexidin wird in Kliniken zur Flächen- und Wunddesinfektion eingesetzt. Es selektiert aber auch Colistin-Resistenzen. (Foto: © CC/pixabay)

Antibiotikaresistente Bakterien können sich vor allem dann weiter ausbreiten, wenn sie ständig mit den entsprechenden Antibiotika in Kontakt kommen. So haben sie einen Selektionsvorteil gegenüber „empfindlichen“ Bakterien. Doch Forschungsergebnisse zeigen: An der Resistenzbildung in Krankenhäusern können auch Desinfektionsmittel beteiligt sein. Das gilt speziell für Colistin-Resistenzen.

(aw) – Das antimikrobiell wirksame Chlorhexidin wird sowohl in Krankenhäusern als auch Privathaushalten als Biozid und Desinfektionsmittel gegen potentiell krankmachende Keime eingesetzt. Dr. Matthew Wand und seine Kollegen von der Technology Development Group des britischen Gesundheitsministeriums haben untersucht, inwieweit und welche Resistenzen dadurch selektiert werden können. Chlorhexidin zerstört Zellmembranen und wird sowohl zur Desinfektion von Gewebe (z.B. vor einer Operation oder bei der Wundbehandlung) als auch als Flächendesinfizienz und für Kleidung (Bleichmittel) verwendet. Dabei wirkt es sowohl gegen gram-positive und gram-negative Bakterien als auch viele pathogene Pilzarten.

Colistin-Resistenz durch Desinfektionsmittel

Im Fokus der Untersuchung standen die in der Humanmedizin zunehmenden Antibiotikaresistenzen von Klebsiella pneumoniae. Das fakultativ anaeroben Stäbchenbakterium gehört zur normalen Keimflora in Mundhöhle und Magen-Darm-Trakt des Menschen. Neben ihren umfangreichen Resistenzen gegen verschiedenste antimikrobielle Wirkstoffe besitzen diese Baktieren auch Mechanismen, die sie gegen Chlorhexidin resistent machen.
Das Auffällige dabei: Fünf von sechs Klebsiellenstämme, die gegen Chlorhexidin resistent sind, entwickeln außerdem eine Resistenz gegen das Antibiotikum Colistin. Es gilt in der Humanmedizin zunehmend als letzte Reserve gegen einige Bakterien. Deshalb wollen die Behörden seinen Einsatz auch in der Tiermedizin strenger regulieren.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass durch den Einsatz von Chlorhexidin eine Selektion auf resistente Klebsiellen-Stämme stattfindet. Die dieser Resistenz zugrunde liegenden Mechanismen sind ebenfalls gegen Bakterien wirksam. Umgekehrt führt eine Resistenz von Klebsiella pneumoniae gegen Colistin nicht zu einer Resistenz gegenüber Chlorhexidin.

Desinfektionsregime in Kliniken überdenken

„Chlorhexidin ist ein wichtiger Bestandteil der derzeitigen Infektionsprophylaxe“, betont Co-Autor Dr. Mark Sutton. „Zunehmende Resistenzen gegen den Wirkstoff haben Auswirkungen auf unsere Fähigkeit, Infektionen durch Operationen zu verhindern.“ Weitere Daten, die in Suttons Labor gesammelt werden, legen den Verdacht nahe, dass ähnliche Resistenzmechanismen auch für andere Bakterien existieren. Die Erkenntnisse könnten dazu führen, dass der Einsatz antimikrobiell wirksamer Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern überdacht werden muss.

Quelle: American Society for Microbiology

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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