Bundestierärztekammer: Wildtierhaltung im reisenden Zirkus ist de facto verboten

Ein reisender Zirkus kann die Haltungsanforderungen an Wildtiere wie Giraffen oder Flusspferde praktisch nicht erfüllen – eben weil er umherzieht. Schon durch das Tierschutzgesetz sei eine Haltung deshalb verboten, betont die Bundestierärztekammer in einer Stellungnahme. Haltungsprobleme seien im reisenden Zirkus systemimmanent.

(jh) – Jede Tierhaltung – egal ob Nutztier, Heim- und Hobbytier- oder eben Wildtierhaltung im Zirkus – muss laut Tierschutzgesetz tierartspezifische Haltungsanforderungen erfüllen. Diese Grundsätze sind in § 2 des Tierschutzgesetzes festgeschrieben und dessen Einhaltung fordert die Bundestierärztekammer (BTK) auch von Zirkusbetrieben.

Reisender Zirkus hat „systemimmante Tierhaltungsprobleme“

Speziell reisende Zirkusse hätten aber mit der Haltung bestimmter Tierarten „systemimmanente Probleme“, stellt die BTK fest. Sie nennt als Beispiele insbesondere klimatische Anforderungen und Anforderungen beim Transport – zum Beispiel von Giraffen. Auch Anforderungen an bestimmte Umweltgegebenheiten, etwa für Flusspferde (semiaquatische Tiere), seien unter den Bedingungen eines reisenden Unternehmens kaum im gebotenen Maß zu erfüllen.

Deshalb betont die BTK in ihrer Stellungnahme (PDF-Download hier) – sei eine Tierhaltung, bei der die notwendigen Haltungsanforderungen nicht gewährleistet werden können, bereits vom Tierschutzgesetz verboten. Das gelte völlig unabhängig davon, ob es sich um domestizierte oder Wildtiere handelt.

Bundesrat fordert Wildtierverbot

Der Bundesrat hatte im Frühjahr 2016 die Bundesregierung zum wiederholten Male aufgefordert (nach 2003 und 2011), die Haltung und zur Schaustellung von Wildtieren per Verordnung zu verbieten – insbesondere von Affen (nicht-menschliche Primaten), Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörnern und Flusspferden.
Auch die Länder argumentieren bei ihrer Verbotsforderung unter anderem mit „eingeschränkten Verhaltenskreisen“, die sie bei folgenden Tierarten sehen:

  • Elefanten: immer Sozialverhalten (keine einzige Haltung in Mutterlinien o.ä. Familienverbünde), häufig Komfort- und Ruheverhalten durch eingeschränkte räumliche Möglichkeiten
  • Bären: Ruheverhalten (insbesondere Winterruhe), Erkundungs- verhalten (z.B. Graben)
  • Nicht-menschliche Primaten: Sozialverhalten (da Handaufzuchten), Erkundungsverhalten (fehlende kognitive Auslastungen)
  • Giraffen: Bewegungs-, Sozial- und Komfortverhalten (vor allem durch räumliche Beschränkungen); zum Teil auch Nahrungsaufnahmeverhalten (da ausgeprägte Nahrungsspezialisten)
  • Flusspferden: Bewegungs- und Sozialverhalten (immer Einzelhaltung, art- gerechte semiaquatische Haltung nicht möglich)

Wildtierverbot im Zirkus in 17 EU-Ländern

Mittlerweile gebe es in 17 Ländern der EU ein vollständiges Verbot oder zumindest starke Einschränkungen der Haltung von Wildtieren im Zirkus, heißt es im Bundesratsbeschluss. In der EU hätten die Mitgliedstaaten ausdrücklich das Recht, die Haltung von Wildtieren im Zirkus eigenständig zu regeln. Ein Verbot würde in Deutschland aktuell etwa zehn größere Zirkusse treffen, einige mittlere und in der Überzahl kleine und Kleinstzirkusse, die teilweise nur regional reisen sowie 250 Unternehmen, die den reisenden Zirkusbetrieben zugeordnet werden können.

Quellen:
BTK-Stellungnahme „Tiere im Zirkus“ (PDF-Download / Stand: September 2016)
Bundesratsbeschluss „Verbot der Haltung bestimmter wild lebender Tierarten im Zirkus“ (PDF-Download / Stand März 2016)

Beitragsbild: ©WiSiTiA/Henrik Hofmann

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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