Kleinkinder und der „bissige“ Familienhund

Beißvorfälle mit Familienhunden – häufig unterschätzt wird, dass sich kleine Hunde von Kindern bedrängt fühlen. (Foto: © WiSiTiA/hh)Beißvorfälle mit Familienhunden – häufig unterschätzt wird, dass sich kleine Hunde von Kindern bedrängt fühlen. (Foto: © WiSiTiA/hh)

Wenn Kleinkinder gebissen werden, dann meist vom eigenen Familienhund. Häufig sogar, wenn ein Erwachsener dabei ist. Der Grund: Die Besitzer halten den eigenen Hund für toleranter und erkennen nicht, wenn er von Kindern „liebevoll“ bedrängt wird.

(jh/PM) – Beim vertrauten Familienhund werden eindeutige Gefahrensituationen deutlich unterschätzt. Das ergab eine Online-Befragung von Hundehaltern durch die Vetmeduni Vienna. Kinder lieben es, den Familienhund zu streicheln, mit ihnen zu spielen und ihnen nachzukrabbeln. Manchmal wird so dessen Geduld überstrapaziert und er schnappt zu. Die meisten Bissvorfälle mit Kleinkindern passieren deshalb im Familienalltag und folgen oft auf eine eigentlich liebevoll gemeinte Geste des Kindes.

Bissvorfälle trotz Aufsicht häufig

„Hundehalter sollten eigentlich erkennen, wenn sich der Hund bedrängt fühlt und rechtzeitig einschreiten. Trotzdem ereignen sich die Vorfälle häufig direkt vor den Augen der Erwachsenen“, erklärt Studienleiterin Christine Arhant vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz der Vetmeduni Vienna. Etwa 50 Prozent der Befragten lassen kleine Kinder (unter sechs Jahren) so oft und so lange wie es möchte mit dem Hund spielen. Ebenso viele lassen Kind und Hund auch unbeaufsichtigt zusammen.

Falsche Risikobewertung

Anhand von fünf Bildern, die unterschiedliche Gefahrensituationen zwischen Hund und Kind darstellten, stellte sich heraus: Der Großteil der Halter war sich des generellen Risikos von Bissvorfällen sehr wohl bewusst. Aber sie bewerten sie bei fremden und eigenem Hund unterschiedlich:

  • Im Zusammenhang mit fremden Hunden wurde jede abgebildete Situation, auch solche mit geringem Risiko, als gefährlich eingestuft.
  • Beim Familienhund wurden dagegen fast alle Situationen als harmlos und ein Einschreiten als nicht notwendig angesehen.
  • Nur ein gemeinsames Kuscheln von Kind und Hund im Hundebett wurde als mögliche Gefahr eingestuft.
  • Unbekannt war den meisten Befragten lediglich, dass auch kleinere Hunde ein Risiko darstellen.
Beißvorfälle mit Familienhunden – häufig unterschätzt wird, dass sich kleine Hunde von Kindern bedrängt fühlen. (Foto: © WiSiTiA/hh)

Beißvorfälle mit Familienhunden – häufig unterschätzt wird, dass sich kleine Hunde von Kindern bedrängt fühlen. (Foto: © WiSiTiA/Henrik Hofmann)

„Das gesunde Misstrauen gegenüber fremden Hunden scheint beim eigenen Familienhund nicht gegeben zu sein“, schätzt Arhant ein. „Man vertraut dem eigenen Hund und schließt einen Beißvorfall mit ihm aus.“ Das reduziert nicht nur die Achtsamkeit, sondern Hundehalter setzen damit voraus, dass der Familienhund toleranter und geduldiger ist als andere Hunde. „Das Bedürfnis nach Ruhe und einem eigenen Bereich sollte auch beim eigenen Hund respektiert werden“, so Arhant.

Hunde brauchen „Abstand“

Die Onlinebefragung zeigte: Den meisten Haltern schien nicht bewusst zu sein, dass ein Hund auch ein Bedürfnis nach ausreichend Ruhezeit und Abstand vom Kleinkind hat. Nur Wenige gaben an die Ruhezone und den Fressplatz des Familienhundes „kindersicher“, also für das Kind nicht zugänglich zu machen. „Eine räumliche Abgrenzung erlaubt es den Aufsichtspersonen kurz die Aufmerksamkeit von Kind und Hund zu nehmen. Das Kind ist durch die Trennung geschützt und sie ermöglicht dem Vierbeiner sich ungestört zu entspannen“, erklärt die Studienleiterin.

Der Blaue Hund – Logo des Präventionsprogramms für Hundebisse.

Der Blaue Hund – Logo des Präventionsprogramms für Hundebisse.

Kinder erkennen Drohung nicht

Gemeinsam müssten Eltern und Kinder lernen, dass ein Hund nicht immer angefasst und überallhin verfolgt werden will. Fühlt sich der Hund durch ein Kind überfordert oder räumlich eingegrenzt, kann er mit seiner Körpersprache eine Drohung anzeigen. Eindeutige Merkmale sind erhöhte Körperspannung, Knurren oder häufiges Lecken der Schnauze und Gähnen. Kleinkinder können dieses Verhalten nur schwer einschätzen. Sogar ein knurrender Hund, der die Zähne fletscht, wirkt für sie als würde er lächeln.

Arhant und ihre Kollegin Claudia Schmied-Wagner wollen das Programm “Der Blaue Hund“ nach Österreich holen. Per DVD und Begleitheft lernen Eltern und Kinder gemeinsam, wie man sicherer mit dem Familienhund umgeht.

Quellen:
Pressemeldung der VetMed Universität Wien
Originalarbeit im Journal of Veterinary Behaviour
Präventionsprogramm: Der Blau Hund

Teilen
Über den Autor

Redaktion wir-sind-tierarzt.de

Unter dem Autorennamen "Redaktion wir-sind-tierarzt.de" veröffentlichen wir überwiegend kurze/aktuelle Nachrichten, die im Redaktionsalltag entstehen. Ein Namenskürzel am Textanfang weist ggf. näher auf den zuständigen Redakteur hin: jh – Jörg Held / hh - Henrik Hofmann / aw – Annegret Wagner Kontakt zur Redaktion: zentrale(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)