Der Brexit und die Tierärzte

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Tierärzte in Deutschland und der Brexit – das hat doch nichts miteinander zu tun? Doch, denn durch den Austritt Großbritanniens aus der EU können sich politische Schwerpunkte ändern. Auch der europäische Tierärztedachverband FVE muss sich neue Regeln überlegen: Dürfen die Briten dort künftig noch mitreden?


von Jörg Held

Der Brexit ist beschlossen, jetzt steht eine zweijährige Verhandlungsphase an, in der über den Austritt und die künftige Rolle entschieden wird. In dieser Zeit gilt für Großbritannien noch das EU-Recht, aber die Briten entscheiden bei neuen Rechtssetzungsverfahren nicht mehr mit.

Weniger Druck auf Freie Berufe

Die Briten waren eine treibende Kraft bei der „Deregulierung der Freien Berufe“. Themen wie „Ende des Kapitalbeteiligungsverbotes“ (betrifft den Einstieg von Klinikketten), „Abschaffung der GOT“ oder das gesamte Paket der Transparenz-Initiative könnten ohne Großbritannien jetzt etwas weniger ambitioniert fortgeführt werden. Zu große Hoffnungen (etwa für den GOT-Erhalt) wären aber verfrüht: Zu viele Initiativen sind schon auf dem Weg durch die EU-Instanzen. Zurückrudern wird die EU da nicht.
Dennoch könnte sich der EU-Druck auf die Selbstverwaltung der freien Berufe (u.a. das Kammerwesen) etwas verringern. Auch wenn Deutschland ansonsten auf EU-Ebene ebenfalls ein Verfechter marktwirtschaftlicher Positionen ist, haben die Freien Berufe hierzulande eine besondere Tradition und durch ihren gesellschaftlichen Auftrag (Tierärzte etwa den Verbraucherschutz) einen hohen Stellenwert. Den wollen deutsche Politiker – so zumindest ihr Bekenntnis –auch gegenüber der EU verteidigen. Ihre Position in der EU wäre nach dem Brexit gestärkt.

Arzneimittel: Stärkung der Tierarztrolle

Nur Tierärzte sollen auch Tierarzneimittel verschreiben dürfen, das wollen die meisten EU-Staaten im neuen Tierarzneimittelgesetz verankert haben. Großbritannien aber blockierte bisher diesen Tierarztvorbehalt. Stattdessen sollten auch anderen „qualifizierte Personen“ Tiermedikamente verordnen dürfen. Mit dem Brexit dürfte dieser Blockade fallen.

Mitspracherecht im Tierarztdachverband FVE?

Ein grundsätzliches Problem, das nicht nur Tierärzte betrifft, müssen viele europäische Interessenverbände lösen: Die Briten bleiben ja auch nach dem Brexit „Europäer“ und als solche auch Mitglied in berufsständischen Verbänden – zum Beispiel im Dachverband der Tierärzte in Europa (FVE).
Aber: Eine Hauptaufgabe des Verbandes ist es, fachliche Stellungnahmen zu EU-Gesetzesvorhaben zu erarbeiten und dabei die Tierarztinteressen aus den Mitgliedsstaaten zu bündeln und zu vertreten. Dürfen die Briten – als starker Verband – da jetzt noch mitreden und ihre Position in Beschlussvorlagen einbringen, auch wenn sie am Ende als nicht EU-Mitglied von einem EU-Gesetz überhaupt nicht mehr betroffen sind?

Der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) hat hierzu eine klare Position: In der FVE sollten Stellungnahmen, die explizit an die EU-Institutionen (EU-Kommission, Ministerrat, EU-Parlament) adressiert sind, auch nur von FVE-Mitgliedern beschlossen werden dürfen, die aus EU-Mitgliedsstaaten kommen.

Freie Berufsausübung

Ungeklärt ist auch noch, ob und wie Tierärzte aus EU-Staaten künftig ihren Beruf in Großbritannien ausüben dürfen. Bisher ist dies problemlos möglich.
Gerade dieses Thema beschäftigt die Briten selbst sehr stark, denn viele (gut qualifizierte) EU-Arbeitnehmer prägen die Wirtschaft auf der Insel: So wurden fast die Hälfte der in GB arbeitenden Tierärzte an europäischen Institutionen ausgebildet, sagt ein Papier des britischen Tierärzteverbandes BVA.

Was die Briten denken

Für die britische Tierärzteschft sind die Brexit-Folgen deshalb auch deutlich größer, als für die Veterinäre in EU-Ländern. Der britische Tierärzteverband BVA (British Veterinary Association) hat dazu ein Papier (PDF Download) erarbeitet, das die wichtigsten Konsequenzen auflistet: vom Bedeutungsverlust als Mitglied in europäischen verbänden, über fehlende EU-Finanzierung britischer Einrichtungen, künftig abweichende Gesetzgebung, neue Handelsregeln oder einem unklaren Status in der Tierseuchenbekämpfung, bis eben hin zu den Personalsorgen in der Tiermedizin.

Beitragsbild: pixabay / CCO Public Domain

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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