Tierquäler oder Klimakiller – Zielkonflikt der Rinderhaltung

Kühe als Klimakiller? Forscher messen den Treibhausgasausstoß. (Foto: © agroscope.ch)

Nutztierhaltung wird immer mehr zum Balanceakt zwischen gesellschaftlichen Zielkonflikten: Tierwohl, Tiergesundheit, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit. Ein Beispiel ist die Rinderhaltung. Ihr Methanausstoß gilt als Klimakiller. Dessen Senkung durch effektivere Hochleistungskühe als tierwohlfeindlich.

von Annegret Wagner

Bis zu 500 Liter Methan produziert eine wiederkäuende Kuh pro Tag. Wiederkäuer bilden so in ihrem Verdauungstrakt bis zu 18 Prozent der weltweit ausgestoßenen Methangase und insgesamt rund drei Prozent aller, für die Klimaerwärmung verantwortlichen Gase, sagt eine aktuelle Studie der Welternährungsorganisation FAO. Die Methanbildung sei eine „Energieverschwendung“, die die Milchleistung beeinträchtige, erklärt Mary Beth de Ondarza in der Juni-Ausgabe des Hoards Dairyman. Weniger  Methan wäre auch im Sinne des Landwirtes, da sich so die Effektivität der Tiere beziehungsweise der Fütterung steigern ließe. Kanadische Wissenschaftler haben errechnet, dass ein um 20 Prozent geringerer Methanausstoß pro Tag eine Leistungssteigerung von rund einem halben Liter Milch bewirken würde.

Kraftfutter senkt Methanausstoß

Das liegt an den biologischen Prozessen im Pansen. Die Pansenbakterien einer Kuh produzieren aus Raufutter vor allem Butter- und Essigsäure als Energielieferanten. Dabei entsteht überschüssiger Wasserstoff, der wiederum in Methan umgewandelt wird. Das entweicht in die Umgebung.
Verdauen die Kühe dagegen Stärke (Kraftfutter), wird in erster Linie Propionsäure gebildet und es entsteht gleichzeitig wesentlich weniger Methan. Daher haben Wissenschaftler aus Wisconsin den Anteil von Stärke in der Ration von Versuchstieren von 20 auf bis zu 29 Prozent erhöht. In dem Experiment sank die Methanbildung um rund 17 Prozent pro Tag. Einen ähnlichen Effekt zeigte eine Studie aus Großbritannien, in der grasenden Kühe verschieden hohe Mengen an Kraftfutter angeboten wurden (zwei, vier, sechs und acht Kilogramm). Auch hier sank mit steigenden Kraftfuttergaben die Methanbildung und gleichzeitig verbesserte sich die Milchleistung.

Die Konzentration auf höhere Leistungen bei geringerem Klimaschaden kritisieren NGOs als Irrweg der „klimasmarten Landwirtschaft“ (PDF-Download)

Wie schädlich sind Kuhrülpser? Forscher messen den Treibhausgasausstoß. (Foto: © agroscope.ch)

Wie schädlich sind Kuhrülpser? Forscher messen den Treibhausgasausstoß. (Foto: © agroscope.ch)

Futteroptimierung mit Risiken

Die Kraftfuttergabe aber steht in der Kritik. Und natürlich lässt sich die Stärkefütterung nicht beliebig steigern. Der optimale Grad der Zufütterung hängt von verschiedenen Faktoren ab, so etwa dem Raufutter- und Fettgehalt der Ration, der Milchleistung und dem Laktationsstadium. Ist der Stärkeanteil der Ration zu hoch, kann das Pansenacidosen, Klauenrehe, verminderter Futteraufnahme, starke Verfettung und weitere unerwünschte Nebeneffekte zur Folge haben.

Es gibt auch andere Wege, die Methanproduktion erheblich zu reduzieren:

  • Etwa mit  Zugabe von Fett zur Ration von Milchkühen. Auch das verringert die Methanproduktion der Pansenbakterien. Doch genau wie bei der Stärke hat die Erhöhung des Fettanteils in der Ration ihre Tücken und kann die Fermentation im Pansen empfindlich stören.
  • Die Methanproduktion lässt sich darüber hinaus auch durch die Fütterung von Ionophoren (z.B. Monensin) drosseln. Sie bewirken bei raufutterreichen Rationen eine Verschiebung von der Methanbildung hin zur verstärkten Produktion von Propionsäure. Ionophore gehören aber zu den antibiotisch wirksamen Substanzen, daher stellt sich hier die Frage nach der Relation zwischen Nutzen und potentiellen Risiken.
  • Relativ neu ist die Zucht der Rinder auf eine niedrigere Methanbildung. Diese Tiere stoßen weniger Methan aus, weil sie das vorhandenen Futter besser ausnutzen sollen und zum Beispiel bessere tägliche Zunahmen bei gleicher Fütterung erzielen.
  • Eine weitere Möglichkeit könnte künftig eine Impfung sein. Durch sie werden Antikörper gegen Methanogene gebildet.

Mehr Milchleistung – weniger Methan

Der einfachste Weg der Reduzierung sind weniger Tiere: Natürlich produzieren weniger Kühe weniger Methan.
In den USA sind die Tierzahlen insgesamt gesunken. Gründe dafür sind unter anderem: eine höhere Leistung der Kühe, die Fütterung hochverdaulicher Rationen, sowie Maßnahmen, die Hitzestress reduzieren und insgesamt die Gesundheit und Fruchtbarkeit verbessert haben. Experten schätzen, dass Managementprozesse die Methanausscheidung der Rinder um neun bis 19 Prozent senken können.
In Kanada ist der Ausstoß von Methan zwischen 1990 und 2008 um 24 Prozent zurückgegangen. Das wurde vor allem durch die gestiegene Milchleistung und damit verbundene Abnahme der Tierzahlen erreicht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Untersuchung an der die USA, Großbritannien und Irland beteiligt waren.

Zielkonflikt: Leistungssteigerung

Hier zeigt sich der Zielkonflikt: Die wirksamste Methode zur Senkung des Methanausstoßes ist demnach die Leistungssteigerung, denn dadurch werden weniger Tiere zur Produktion der gleichen Milchmenge benötigt. Eine Kuh, die 10.000 Liter Milch gibt, produziert eben nicht doppelt so viel Methan wie zwei Kühe mit einer Milchleistung von je 5.000 Litern. Der Grund: Sie benötigt nicht zweimal die Energie – und den damit verbundene Methanauststoß – zur Erhaltung der Lebensfunktionen wie Aufstehen, Laufen, Atmen, Herzschlag etc..

Jungrinder auf der Weide

Idylle oder Klimaschaden: Jungrinder auf der Weide stoßen Methan aus. (Foto :© WiSiTiA/aw)

Tierquäler oder Klimakiller?

Grob vereinfacht stehen sich also zwei Extreme gegenüber:

  • Robuste Milchkühe mit mittlerer Leistung oder anspruchslose Fleischrinder führen zu einer erhöhten Produktion von Methan. Sie sind aber in der Regel wenig krankheitsanfällig und stellen keine hohen Anforderungen an das Management. Ihre Haltung gilt deshalb bei vorwiegender Raufutterfütterung (Weidehaltung) als besonders tiergerecht.
  • Die effiziente Hochleistungskuh und das schnellwachsende Fleischrind haben eine vergleichsweise niedrige Methanausscheidung. Sie gesund zu erhalten ist allerdings mit sehr hohen Anforderungen an den Tierhalter und seine Managementfähigkeiten verbunden.

Politik und Gesellschaft müssen also Prioritäten setzen: Die einen favorisieren im Sinne des Tierwohls die Weidehaltung und eine gemäßigte Leistung; die anderen fordern aus Umweltschutzgründen eine massive Reduzierung der Rinderpopulation, um den Methanausstoß zu verringern; Dritte verlangen eine günstige und effektive Lebensmittelproduktion.

Der Rinderhalter steht zwischen den Fronten: Entweder er entscheidet sich für gesundheitlich labile Hochleistungskühe mit vergleichsweise geringer Methanbildung – dafür gilt er dann aber als Tierquäler. Oder er hält robuste Weidetiere mit realistischer Milchleistung, muss sich aber den Klimakiller-Vorwurf gefallen lassen.

Quellen:
FAO-Bericht zu Metanemmissionen in der Rinderhaltung
Kreative Lösungen zur Senkung der Methanmemissionen – science news

Beitragsbild: CO2- und Methanmessung (©agroscope Schweiz)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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