Kommentar: Gerichtsurteile sind teuer – für Tierärzte und Tierhalter

Reicht ein Sälbchen - oder muss es immer gleich das "große Programm" sein (Foto: © Henrik Hofmann)?

Klingt toll für Tierhalter, was die Medien zum BGH-Urteil zur „Beweislastumkehr“ so schreiben: „Endlich haften Tierärzte wie Humanärzte auch“ oder es sei jetzt „leichter Schadenersatz zu bekommen“. Umgekehrt heißt das aber auch: Es wird teurer für die Tierbesitzer, denn Tierärzte müssen „mehr machen“.

Kommentar von Henrik Hofmann

Nicht das BGH-Urteil zur „Beweislastumkehr“ ist der Knackpunkt, sondern die vorausgegangenen Urteil der Vorinstanzen: Tierärzte müssen demnach das volle Diagnoseprogramm fahren oder zumindest über Risiken aufklären – und das auch dokumentieren. Sonst handeln sie schnell „grob fahrlässig“.

Die „Story“: Eine Pferdehalterin ruft den Tierarzt, weil ihr Pferd am Bein eine Verletzung erlitten hatte – vermutlich durch den Tritt eines anderen Pferdes. Der Tierarzt verschliesst die Wunde und gibt die Anweisung: Zwei Tag solle man das Tier schonen, dann könne es aber wieder geritten werden. Doch in der Folge wurde aus einer nicht erkannten Fissur eine inoperable Fraktur. Das Pferd musste euthanasiert werden.
Die Wunddiagnose war eine alltägliche Situation, die zu 99,99 Prozent gut geht. Sollte man meinen. Oder hätte in so einem Fall jeder Kollege sofort Röntgenbilder in verschiedenen Ebenen angefertigt? Und: Hätte das jeder Pferdebesitzer haben – sprich: bezahlen wollen?

In der Praxis bedeuten die Urteile: „MEHR …“

Nun fällten aber Gutachter und Richter ihr Urteil: Das war „grob fahrlässig“ vom Tierarzt. Natürlich hätte der Kollege das große Diagnose-Programm fahren müssen! Das BGH-Urteil bestätigt außerdem: Wer gegen die anerkannten Regeln der Heilkunst verstößt – und zwar „grob“ – muss beweisen, daß sein Fehler nicht die Ursache für einen späteren Schaden ist.
Aber was heisst das Ganze für uns in der Praxis? Eigentlich drei Dinge:

  1. Entweder grundsätzlich mehr Diagnostik = mehr Kosten für die Tierhalter
  2. Oder eine Rückversicherung, dass der Besitzer keine weitere Diagnostik wünscht, die Risiken kennt und selbst übernimmt
  3. Immer aber wird es mehr und sorgfältigere Dokumentation erfordern!

Mein Fazit: Für uns Tierärzte ändert sich „rechtlich“ wohl nicht wirklich viel. Aber „nur mal drauf schauen“ oder „mal abwarten“ war einmal mehr gestern. Denn das könnte schon als grob fahrlässig ausgelegt – und schnell zum Haftpflichtfall werden.

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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