Verbraucherschutzminister stellen Dispensierrecht in Frage

Eine Minderheit der Verbraucherschutzminister verknüpft das Dispensierrecht mit einem Rabattverbot. (Foto: WiSiTiA/aw)

Die Agrarminister hatten sich zuletzt zurückgehalten. Doch auf der Verbraucherschutzministerkonferenz hat erneut eine Minderheit der Bundesländer eine Attacke auf das tierärztliche Dispensierrecht ins Protokoll schreiben lassen: Es soll nur erhalten bleiben, wenn die Rabatte beim Anibiotikaeinkauf entfallen.


(jh) – Der Antrag war wortgleich mit der Antragsformulierung in der Agrarministerkonferenz. Auch der Beschluss (Informationen zum AMK-Beschluss hier) ist weitgehend identisch – bis auf diese Protokollnotiz:

Sollte es nicht kurzfristig zu einem Verbot der Rabbattierung kommen, bitten die Länder NRW, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen (Grüne Minister) sowie Hamburg (SPD) das Bundeslandwirtschaftsministerium weitere Maßnahmen bis hin zur Abschaffung des Dispensierrechts für Tierärzte in die Wege zu leiten.“

Die Agrarminister hatten diese – wie der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) kommentiert – „völlig inakzeptbale Verquickung“ –  von Rabatt und Dispensierrecht nicht mehr hergestellt. Einige Verbraucherschutzminister aber wollen, dass sie in der Diskussion bleibt.

Behandlung kranker Tiere nicht verzögern

Ansonsten fordern die Verbraucherschutzminister der 16 Bundesländer zum Thema Antibiotika in der Nutztierhaltung einstimmig, dass

  • … wirtschaftliche Anreize zur Abgabe großer Mengen von Antibiotika an Nutztierhalter abgeschafft werden müssen (Rabattverbot).
  • … eine Liste antibiotischer Wirkstoffe zu erstellen sei, die ausschließlich den Menschen vorbehalten sein sollen (Reserveantibiotika). Für diese Wirkstoffe müssten „Einschränkungen bis hin zum Verbot ergriffen werden“.
  • … in nach aktuellem Stand der veterinärmedizinischen Wissenschaft noch zu definierenden Fällen bei einer Antibiotikabehandlung in der Tierhaltung ein Antibiogramm zu erstellen ist, um die Wirksamkeit der eingesetzten Wirkstoffe zu überprüfen. „Diese Vorgabe darf nicht zu einer Verzögerung der Behandlung kranker Tiere führen.“

Eine Länderminderheit verlangt allerdings – wie auch bei den Agrarministern –, dass die Antibiogrammerstellung „die Regel werden muss“ (NRW, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen und Hamburg). Doch auch aus dieser Formulierung lässt sich (noch) keine Antibiogrammpflicht vor einer Behandlung ableiten.

Tiergesundheitsindex erstellen

Außerdem wollen die Verbraucherschutzminister ebenso wie die Agrarminister eine Tierarzneimittelanwendungskommission einrichten und eine Verbesserung der Tiergesundheit bei Nutztieren erreichen – insbesondere durch Optimierung der Hygienestandards, der Haltungsbedingungen sowie des Betriebsmanagements. Das sei ein wesentlicher Baustein zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes. Eine Arbeitsgruppe soll dazu einen bundesweit einheitlichen und auf vorhandenen Ergebnissen aufbauenden Tiergesundheitsindex entwickeln.

wir-sind-tierarzt meint:

(jh) – Wie kommt es zu so seinem Beschluss? ganz einfach: Politik braucht auch eine gewisse Beharrlichkeit. Und die beweisen die grünen Minister bei ihren Zielen durchaus.
Landwirtschaft und Verbraucherschutz liegen in vielen Bundesländern in einem Ressort und dort meist bei den Grünen (etwa in NRW, Niedersachsen, Baden-Württemberg oder Hessen). Weil bei der Vorbereitung von Beschlüssen der Agrarministerkonferenz (AMK) meist auch tierärztlicher/landwirtschaftlicher „Sachverstand“ beteiligt ist, kann dort manche allzu konstruierte Beschlussformulierung wegargumentiert werden. Bei der Verbraucherschutzministerkonferenz fehlen diese Inputgeber aber oft, denn hier sind die Themen primär andere. So kann dann eine politische Position, die erhebliche fachliche Mängel hat, eins zu eins im Protokoll landen, wenn auch nur als „Protokollnotiz“.
Die darf man nicht überbewerten, aber: Politisch lassen sich so „Themen“ auf der Agenda halten. Das tierärztliche Dispensierrecht gilt dabei wohl einigen als „Faustpfand“ beim Streit um die Antibiotikaregulierung.

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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