Fohlen überlebt Infektion mit Clostridium botulinum Typ A

Ein zehntägiges Fohlen ist das erste Pferd, das (dokumentiert) eine Infektion mit Clostridium Botulinum Typ A überlebt hat. (Symbolfoto: ©WiSiTiA/hh)Ein zehntägiges Fohlen ist das erste Pferd, das (dokumentiert) eine Infektion mit Clostridium Botulinum Typ A überlebt hat. (Symbolfoto: ©WiSiTiA/hh)

Ein zehn Tage altes Fohlen überlebt erstmals eine Infektion mit Clostridium botulinum Typ A. Das berichtet die University of California (Davis/USA), die den Fall dokumentiert hat.

(aw) – Das 42 Kilogramm schwere Fohlen war wegen einer auffälligen Tiefhaltung des Kopfes eingeliefert worden. Als Verdachtsdiagnose hatte der einweisende Tierarzt zunächst die Fraktur eines Halswirbels in Betracht gezogen, berichtet Dr. Gary Magdesian von der University of California. Doch die Röntgenbilder lieferten keinen Hinweis auf ein traumatisches Geschehen.
Da Schwächesymptome im Hals-Kopf-Bereich (Kopftiefhaltung) typisch für eine Clostridium-Infektion sind, sollte im Verdachsfall so schnell wie möglich Plasma mit Antikörpern gegen Cl. botulinum Typ A, B und C gegeben werden. Eine intensive Tierbetreuung ist ebenfalls unerlässlich, um eine Heilung zu erreichen.

Bisher gab es nach Angaben der Amerikaner bei Pferden noch keinen dokumentierten Fall, in dem eine Clostridium botulinum Infektion vom Typ A überlebt wurde. In der Regel ist der Krankheitsverlauf sehr dramatisch. In einer Studie mit 54 Pferden starben 49 bereits während der Zeit, bis die Testergebnisse vorlagen. Die anderen fünf Fälle waren nicht mehr vollständig rekapitulierbar, aber auch diese Tiere sind vermutlich alle gestorben. Der aktuelle Fall ist hier publiziert (PDF-Download).

 Irridisierender Hof um Clostridium botulinum Kolonien auf AEY-Agar. (© CDC/USA)

Iridisierender Hof um Clostridium botulinum Kolonien auf AEY-Agar. (© CDC/USA/Wikipedia)

Klinische Symptome

Die physikalische Eingangsuntersuchung in der Tierklinik ergab keinerlei Besonderheiten bis auf die Tatsache, dass das Fohlen den Kopf nicht heben konnte und allgemein schwach war. Selbst die Nerventests waren im normalen Bereich. Zwar konnte das Fohlen noch gehen, doch der Gang war steif und es ermüdete schnell. Weiterhin gab es keine Hinweise auf Schmerzen im Halsbereich. Die Ärzte fanden lediglich einen herabgesetzten Tonus, der eine Überstreckung des Nackenbandes zuließ.
Das Fohlen konnte normal trinken und hatte einen normalen Zungentonus. Eine erneute Röntgenuntersuchung und eine Blutuntersuchung erbrachten keine weiteren Erkenntnisse. Im Verlauf der folgenden drei Tage verschlimmerte sich das klinische Bild. Das Fohlen konnte nicht mehr stehen und der Zungentonus nahm ab.

Verdachtsdiagnose: Clostridium botulinum Infektion

Aufgrund des Krankheitsverlaufs vermuteten die Tierärzte eine Clostridium botulinum Infektion, entweder vom Typ A oder C. Eine Kotuntersuchung, die am Tag der Einweisung genommen worden war, bestätigte dann am vierten Tag den Verdacht: Sie enthielt Sporen vom Typ A.

Therapie: Infusionen mit Antikörper-Plasma und Penicillin

Zunächst bekam das Fohlen Plasma, das Antikörper gegen Cl. botulinum Typ B und C enthielt, darüber hinaus Infusionen mit isotonischen Lösungen und Elektrolyten, Penicillin G, Selen, Omeprazol und Vitamin E7. 24 Stunden nach Beginn der Infusionstherapie, war dann Plasma mit Antikörpern gegen Cl. botulinum A, B und C2 verfügbar und wurde sofort verabreicht.
Das Fohlen bekam zusätzlich insgesamt elf Tage lang Penicillin G intravenös und wurde danach zehn weitere Tage mit Ceftiofur behandelt.

Abbildung zeigt Ausmass der Nervenlähmung durch Clostridium botulinum (links gesund/rechts infiziert) Fig 1. Repetitive nerve stimulation of the peroneal nerve. Control foal at 1 Hz (A), case at 1 Hz (B), control foal at 50 Hz (C), and caseat 50 Hz (D). Notice low amplitude of CMAP (compound muscle action potential; B, D) in diseased foal compared to control foal, andsequential increment of CMAP at 50 Hz in diseased foal not present in control foal. Calibration at 5 mV and 1 mV per vertical division inrecordings of control and diseased foal, respectively; and 2 ms per horizontal division. Quelle: Journal of Veterinary Internal Medicine
Volume 30, Issue 2.

Rund-um-die-Uhr-Betreuung

Darüber hinaus musste das Tier intensiv rund um die Uhr betreut werden. Alle zwei Stunden wurde es aufgehoben und neu gelagert um einem Dekubitus vorzubeugen bzw. diesen zu behandeln. Sowohl eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung als auch die Kontrolle von Harn- und Kotabgang war regelmäßig nötig. Zur Vermeidung von Verstopfungen – einer bekannten Komplikation bei Clostridium-Infektionen – wurden regelmäßig Einläufe durchgeführt.
Weil die Stute nicht in der Klinik bleiben konnte, stellten die Ärzte die Ernährung auf Milchaustauscher um, den das Fohlen bis zum sechsten Tag der Behandlung per Nasenschlundsonde bekam.

Langsame aber stetige Heilung

Die Heilung verlief langsam aber stetig. Am sechsten Tag der Behandlung konnte die Nasenschlundsonde entfernt werden, weil sich der Zungentonus normalisiert hatte und das Fohlen trank von da ab selbstständig aus einer Schüssel. Am zehnten Tag konnte es alleine stehen, allerdings noch nicht alleine aufstehen. Das war erst am 22. Tag der Behandlung wieder der Fall. Am 30. Tag konnte das Fohlen entlassen werden, war aber zu dem Zeitpunkt immer noch schwach und ermüdete schnell. Botulismus-Toxin konnte ab dem 14. Tag der Behandlung nicht mehr nachgewiesen werden.

Vorsichtsmaßnahmen im Stall

Die Besitzer hatten bis zur Entlassung Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um eine Reinfektion zu vermeiden. Weil nicht klar war, wie sich das Fohlen infiziert hatte, hatten sie die oberste Bodenschicht des Paddocks abtransportiert und durch neuen, desinfizierten Sand ersetzt. Die Box legten sie mit Gummimatten aus.
Vier Monate nach der Entlassung hatte sich das Fohlen komplett erholt und zeigte keine Folgeschäden.

Quelle:
Journal of veterinary internal medicine/Wiley online library
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