Kükentötung: Klage auf der Kippe – Landgericht signalisiert Abweisung

Getötete Eintagsküken - ein teil wird als Tierfutter verwertet. (Foto: screenshot ebay-Angebot)Getötete Eintagsküken - ein Teil wird als Tierfutter verwertet. (Foto: screenshot ebay-Angebot)

Das Töten von männlichen Eintagsküken ist wahrscheinlich nicht strafbar. Das Landgericht Münster signalisierte, dass es die Klage der Staatsanwaltschaft gegen eine Brüterei nicht zulassen werde. Die Begründung ist identisch mit einem ebenfalls ablehnenden Urteil aus dem Jahr 2015. Die Tierrechtsorganisation Peta aber sieht „Rechtsbeugung“ und erstattet weitere Anzeigen. Jetzt will auch  Niedersachsen ein „definitives Ausstiegsdatum“ benennen. (aktualisiert 24.2.2016)

(jh) – Wenn es um Tierrechte geht wird der Ton härter. Von „rechtsbeugerischem juristischem Geplänkel“ lasse man sich nicht abhalten, wird Edmund Haferbeck, Leiter der Peta-Rechtsabteilung zitiert. „Keiner sollte sich einbilden, dass Peta aufgibt.“ Die Tierrechtler hätten bei den zuständigen Oberstaatsanwaltschaften erneut Anzeige gegen sämtliche Brütereien in Deutschland erstattet.
Grund für die verbale Attacke der Aktivisten: Das Landgericht Münster hatte signalisiert, dass es die – auf einer Peta-Anzeige basierende – Klage der Staatsanwaltschaft Münster gegen eine Brüterei nicht zu lassen werden (ausführlicher Bericht zur Klage hier). Diese Klage hatte Peta zunächst als „historischen Durchbruch“ gefeiert.

Video zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei am Textende

[box]Folgt die Politik den Peta-Klagen?
Jetzt will 2017 auch Niedersachsen das Töten von männlichen Eintagsküken verbieten und zwar zu einem „definitiven Datum“. Eine aktuell geltende Ausnahmegenehmigung soll auslaufen, sagte Minister Christian Meyer der NOZ. Die Justizbehörden seien darüber informiert. Auffallend ist der zeitliche Zusammenhang mit den Peta-Aktionen: Die Tierrechtler hatten der in Niedersachsen für Landwirtschaftsthemen zuständigen Staatsanwaltschaft Oldenburg „Rechtsbeugung“ vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft war nach Peta-Anzeigen nicht tätig geworden und hatte dazu auf die Genehmigung durch den Erlaß des grün-geführten Landwirtschaftsministeriums verwiesen. (Ergänzt 23.2.106)[/box]

Gesetzgeber muss Unrecht „feststellen“

Die Justiz sieht die Politik als Gesetzgeber in der Verantwortung. Im sogenannten Zwischenverfahren – das berichtet die neue Osnabrücker Zeitung und andere Medien – habe das Landgericht an Brüterei und Staatsanwaltschaft geschrieben: „Es ist beabsichtigt, das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten aus Rechtsgründen nicht zu eröffnen.“ Zuerst müsse der Gesetzgeber feststellen, dass das jahrzehntelang geduldete Töten der Küken nun ein Verstoß gegen den Tierschutz darstelle. Es reiche nicht, wenn sich lediglich die Wertvorstellungen der Gesellschaft geändert hätten.
Endgültig wird in zwei Wochen über die Verfahrenseröffnung entschieden. Gegen eine Ablehnung könnte die Staatsanwaltschaft am Oberlandesgericht Hamm eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen. Sie hatte bereits angekündigt, dass Verfahren im Zweifelsfall bis vor den Bundesgerichtshof zu bringen, um eine höchstrichterliche Entscheidung zu erzwingen.

Urteil aus 2015 richtungsweisend?

Die Argumentation des Landgerichtes ist in den Grundzügen schon in einer Urteilsbegründung aus dem Jahr 2015 nachzulesen, die sich damals bereits auch zu strafrechtlichen Fragen der Kükentötung geäußert hat:

Allein durch eine vom Beklagten angenommene Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Werteordnung im Hinblick auf den Tierschutz, könne keinen Eingriff in die mit einem Tötungsverbot betroffenen Grundrechte der Tierhalter aus Art. 12 Abs. 1 GG oder gar die Annahme einer Strafbarkeit des Tierhalters nach § 17 Nr. 1 TierSchG rechtfertigen, zumal der Kläger sein Brutgeschäft in der bisherigen Form nicht mehr fortsetzen könnte, wenn er zusätzlich zu seiner Brüterei zur Aufzucht von jährlich 200.000 männlichen Küken gezwungen wäre.

Damals ging es vor dem Verwaltungsgericht Minden zwar um einen „Verbotserlass“ des NRW-Landwirtschaftsministeriums. Juristisch argumentier(t)en NRW, Peta und jetzt die Staatsanwaltschaft Münster aber im wesentlichen gleich.

Peta attackiert das Justizsystem

Die Tierrechtsaktivisten von Peta haben bei den zuständigen Oberstaatsanwaltschaften außerdem Anzeigen gegen sämtliche Brütereien in Deutschland erstattet. Aber während die Staatsanwaltschaft Münster bisher als einzige Anklage erhob, wurde sonst keine andere Justizbehörde aktiv. Insbesondere die Staatsanwaltschaft Oldenburg, die in Niedersachsen als Zentralstelle in Sachen Landwirtschaft fungiert und bei der Verfahren aus dem gesamten Land gebündelt werden, habe alle Verfahren bisher reihenweise eingestellt. Oldenburg entwickele „sich zu einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Rechtsbeugung im Bereich der Landwirtschaftskriminalität“, wird Edmund Haferbeck (Peta) zitiert. Denn aus Peta-Sicht liegt auch dann ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor, wenn die Kadaver verkauft werden.

[box]Verwertung von Eintagsküken – zumindest Zoos nehmen eine (kleine) Zahl von Küken als Futtermittel ab und sehen sie als wichtigen Ernährungsbestandteil. Im Handel gibt es Eintagsküken zu stolzen Kilopreisen.[/box]

Grüne Bundesländer: Verbotserlasse mit unterschiedlichem Enddatum

Niedersachsen ist Geflügelland Nummer eins: 13 Brütereien halten Brutplätze für 22 Millionen Küken vor. Entsprechend war der zuständige Landwirtschaftsminister Christian Meyer  zurückhaltender mit Vorschriften, die diesen Wirtschaftszweig komplett ins Ausland verdrängen würden. Er hatt als Zieldatum für ein Tötungsverbot das Jahr 2020 genannt. Will aber nach der Klagewelle jetzt auch 2017 ein Ausstiegsdatum festlegen.
Für NRW (fünf Brütereien) hatte NRW-Minister Remmel bereits 2013 einen Erlass zum Kükentötungsverbot geschrieben, der dann aber 2015 vor Gericht kassiert wurde. Hessens Grüne-Landwirtschafsministerin Priska Hinz wiederum hat einen Verbotserlass mit unbestimmten Datum herausgegeben: „Unsere Untersagung greift zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Dieser wird durch die weitere Entwicklung und Automatisierung eines geeigneten technischen Verfahrens bestimmt.“ Gegen dieses „weiche Verbot“ hat die in Hessen angesiedelte größte Brüterei Deutschlands – anders als die vom „Sofortverbot“ betroffenen Betriebe in NRW – nicht geklagt.
Sobald diese Technik marktreif ist, greift – und das ist die Position des Bundeslandwirtschaftsministeriums – ohne das weitere gesetzliche Regeln nötig wären das Tierschutzgesetz: Es würde der „vernünftige Grund“ für eine Tötung entfallen.

Einen Kommentar von wir-sind-tierarzt.de zum Thema Kükentötung und (geplanten) Verboten finden Sie hier

Alle Berichte zum Thema finden Sie über das Schlagwort „Eintagsküken“

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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