Tierärzte sehen Schlachtkörperdesinfektion kritisch

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Die EU will Infektionen aus der Lebensmittelkette senken. Ein diskutierter Ansatz: Die prophylaktische Desinfektion von Geflügelschlachtkörpern mit Per(oxy)essigsäure. Das soll vor allem die weiter ansteigende Belastung von Campylobacter spp. auf dem Fleisch senken. Doch Tierärzte sind skeptisch.

(aw/PM) – Im Dezember hat das Komitee der Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission (DG Sante) über die Verwendung von Per(oxy)essigsäure zur Desinfektion von Geflügelkarkassen diskutiert. Eine Stellungnahme der Europäischen Tierärztevereinigung (Federation of Veterinarians of Europe/FVE) begrüßt grundsätzlich die Einführung von Hygienekriterien im Bezug auf Campylobacter bei der Verarbeitung, insbesondere in der Kombination mit Vorgaben zum Hygienemanagement in den Herkunftsbetrieben, die durch Tierärzte überwacht werden.

Verfahren wirklich unbedenklich?

Die Einschätzung, dass das Verfahren im Bezug auf Rückstände und Umweltsicherheit absolut unbedenklich ist, teilt die FVE aber nicht. Die EFSA (European Food Safety Authority) hatte den Einsatz von Per(oxy)essigsäure aufgrund mehrerer Studien entsprechend eingestuft. Doch ausgerechnet die Wirksamkeit des Verfahrens gegen Campylobacter spp. sei wenig untersucht, monieren die Tierärzte. In den Studien sei es in erster Linie um die Verringerung von E.coli-Keimen gegangen.

Die Tierärzte halten Folgendes in der Stellungnahme fest:

  • Eine Dekontamination oder eine ähnliche Behandlung ersetzt nicht ein gutes Hygienemanagement in den Herkunftsbetrieben und an den Schlachthöfen. Eine erfolgreiche Kontrolle pathogener Keime muss in der Tierhaltung beginnen und benötigt einen gemeinsamen Ansatz (from the farm to the fork).
  • Eine Dekontamination oder eine ähnliche Behandlung darf kein Kontrollpunkt (Critical Control Point, CCP) des Hygienekonzepts (HACCP) sein.
  • Eine Dekontamination könnte die normale Mikroflora auf der Hautoberfläche zerstören und sie empfänglich für das Wachstum pathogener Keime machen, die sich bereits auf dem Schlachtkörper befinden oder im Anschluss an die Dekontamination auf dessen Oberfläche gelangen.
  • Die Anforderungen zur Probenentnahme (Reg. 2073/2005/EC) für eine Beurteilung der mikrobiellen Besiedlung sollten nicht bei dekontaminierten Schlachtkörpern gelten.
  • Fleisch, das einer Dekontamination unterzogen wurde, muss klar gekennzeichnet werden.
  • Eine Dekontamination von Schlachtkörpern sollte nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden, die von einer zuständigen Behörde genehmigt werden müssen.

Quellen:
FVE-Stellungnahme zur Schlachtkörperdesinfektion
EFSA-Einschätzung Larkassendesinfektion mit Per(oxy)essigsäure (2014)
EFSA-Bericht 2014: Zoonosen und lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche (veröffentlicht: 12/2015) – zugehörige deutsche Presseinformation: Zahl der Campylobacter-Infectinen steigt weiter

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