„Bund angestellter Tierärzte“ kämpft für Assistentenrechte

Gründung einer Tierärztegewerkschaft

Christian Wunderlich hatte sich Großes vorgenommen: Die Gründung einer Tierärztegewerkschaft. Doch daraus wird vorerst nichts. Den Kampf für faire Arbeitsbedingungen gibt er aber nicht auf, denn: „Auch an der Uni ist nicht alles Gold, was glänzt.“ (aktualisiert: 4.2.2016)

von Henrik Hofmann

Kollege Cristian Wunderlich arbeitet an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und sieht auch an den Universitäten arbeitsrechtliche Problem für junge Tierärzte. Er klagt über „prekäre Arbeitsbedingungen“, manches sei an der Grenze zur Illegalität. Sein Ziel: Ein Tarifvertrag wie ihn Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) und auch Humankollegen längst haben. Den sollte eine neue Tierärztegewerkschaft aushandeln. Doch:

Das Projekt Tierärztegewerkschaft“…

… ist bei der Gründungsveranstaltung am 24. Januar vorerst gescheitert. Stattdessen formierte sich ein „Bund angestellter Tierärzte“ (BaT). Dafür, dass es keine Gewerkschaft wurde, sieht Wunderlich drei Gründe:

[box]Seine Ziele und eine Übersicht der wichtigsten „Probleme“ hat der „Bund angestellter Tierärzte“ inzwischen in einer eigenen kurzen Zusammenfassung der Gründungsversammlung veröffentlicht. Hier ist der Link/(PDF-Download) – ergänzt 4.2.1016[/box]

  • „Das Problem ist, dass es für eine Tarifpartnerschaft zwei Parteien geben muss: Eine Arbeitnehmerseite und eine Arbeitgebervertretung. Auf Seiten der Praktiker gibt es gegenwärtig nur den Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt). Aber dort sind sowohl Inhaber als auch Assistenten Mitglied. Damit kann der bpt kein Tarifpartner sein.
    Die tierärztlichen Hochschulen sollten sich theoretisch an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) halten – was sie aber vielfach nicht täten.
  • Eine Gewerkschaftsgründung ist außerdem mit rechtliche Hürden verbunden. So müssten laut Wunderlich mindestens 30 Prozent der infrage kommenden Berufsgruppe teilnehmen. Das wären mindestens 2.000 Assistenten (siehe Info-Box). Und die seien schwer zu bekommen, zu motivieren, zu verwalten. Es braucht Geld und eine Infrastruktur.
  • Die Tierärzte in Industrie und Veterinärämtern wiederum haben bestehende Interessenvertretungen. Dort würden Berufsanfänger – im Vergleich zur Praxis oder den Hochschulen – gut bezahlt. Diese Kollegen hätten kaum Bedarf für eine neue Gewerkschaft.

[box]In der aktuellen Tierärztestatistik (PDF-Download) zählte die Bundestierärztekammer 2014 insgesamt 7.119 Praxisassistenten (davon 5.867 Frauen); 4.327 Angestellte im öffentlichen Dienst (2.979 Frauen) und 1.445 in der Industrie beschäftigte Tierärzte (879 Frauen) .[/box]

Aufgeben aber will Christian Wunderlich dennoch nicht: Statt einer Gewerkschaft haben er und 45 Mitstreiter den „Bund angestellter Tierärzte/BaT“ gegründet. Wer mitarbeiten möchte – Kontakt: Christian Wunderlich / bundangestelltertieraerzte@gmx.de oder über die Facebook-Gruppe des BaT (Aufnahme nur auf Anfrage).

Warum eine Assistentengewerkschaft wichtig wäre

Als Argumente für eine Gewerkschaft nennt Wunderlich:

  • Arbeitsbedingungen, die so nicht langfristig (aus-)haltbar sind
  • „Wachrütteln“ duldsamer Kollegen und Kolleginnen
  • Wirtschaftlichkeit der Praxen/Kliniken verbessern
  • Einhaltung von Arbeitszeitgesetz und Arbeitsschutzgesetz

„Wertloser“ Beruf?

Assistenten werde schon während der Ausbildung nicht die „Wertigkeit“ ihres Berufes vermittelt. Das ist für Wunderlich die „Wurzel des Übels. Die Berufsanfänger haben ein Gefühl der ‚Wertlosigkeit‘.“ Bei vielen jungen Kollegen führe das zur „Zerstörung ihrer Ideale“ und zur Abwanderung in andere Berufssparten. Denn zum Einstieg in den tierärztlichen Beruf setze die Branche momentan das klare Signal: Es gibt nichts zu verdienen.
Was macht man dann? Industrie? Forschung? Wirtschaft? Amt? „Für viele“, bestätigt auch Praxisassistent Mario Beck, „ist der letzte Ausweg die Schwangerschaft.“ Das Problem beginne schon an den Universitäten, berichtete Beck auf einer bpt-Veranstaltung in Hannover aus seiner Anfangszeit. Sein Erfahrungsbericht:

Hochschulen setzen falsche Signale

>>Ich nahm eines Tages an einer Veranstaltung teil, mit der man Studenten dafür motivieren wollte, nach dem Examen an der Uniklinik zu arbeiten, Interships und Residencies zu machen, zu forschen und sich weiterzubilden. Eine Professorin stand damals im Hörsaal und erklärte, woraus die Arbeit besteht. Alles hörte sich sehr gut an: „Wir machen Journal Clubs und Book Rounds, wir haben eine Intensive Care Unit“ – etwa so, erinnert sich Beck, habe die Hochschullehrerin die Vorteile angepriesen. „Sie sind vom ersten Tag an in dieses Notdienstgefüge eingebunden“, erinnert sich Beck. Der Frage, wie viel man verdiene, begegnete sie mit „so dürfen sie das nicht sehen…“. Es stellte sich heraus, dass sie von 600 Euro für eine volle Stelle sprach. „Aber dafür können sie sofort allein Nacht- und Notdienste machen! Und hinterher von den Praktikern richtig viel fordern.“

Während seines Studiums arbeitete er bei der Tierrettung München. Eines Nachts lieferte er ein verletztes Tier in einer privaten Tierklinik bei der diensthabende Tierärztin ab. Beck kam mit der jungen Kollegin ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass sie an der LMU München gearbeitet und dabei promoviert hatte, danach hatte sie die Stelle in der privaten Tierklinik bekommen, dort war sie nun in Vollzeit angestellt. „Und, was verdienst du?“, habe er sie gefragt. 1.200 Euro, antwortete die promovierte Tierärztin. Er habe in dieser Nacht lange wachgelegen und überlegt: „Wie kommt sie dazu, für dieses Gehalt zu arbeiten?<<

Sichtbar wurden die Probleme an Hochschulen durch einen Bericht der Süddeutsche Zeitung (SZ). Sie erhob schwere Vorwürfe gegen die Leiterin der Kleintierklinik an der LMU München: Mit “Zusatzverträgen für Privatpatienten” soll sie „privat abkassiert“ haben, obwohl Mitarbeiter – zum Teil ohne Bezahlung – die Tiere behandelt hätten.

[box]Gehälter und Arbeitsbedingungen für angestellte Tierärzte in Praxis und Hochschule sind ein Thema, das auch das Bild des Berufsstandes in der Öffentlichkeit mit prägt und daher die Standesvertretungen beschäftigt. wir-sind-tierarzt.de hat darüber schon vielfach berichtet – Artikelübersicht hier – und wird das Thema weiter begleiten.[/box]

Beitragsbild: Christian Wunderlich auf einer Podiumsdiskussion auf dem Leipziger Tierärztekongress (Foto: ©bvvd)

 

Hürden, die ein Tarifvertrag für Tierärzte nehmen muss – Fragen an bpt-Geschäftsführer Heiko Färber (Video aus einem Artikel aus März 2015

(Video: WiSiTia/Henrik Hofmann)

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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