Rückkehr der Blauzungenkrankheit nach Deutschland: „Damit müssen wir leben“

Symptome der Blauzungenkrankheit sind nicht einfach zu erkennen (Foto: © Staatliches Veterinäruntersuchungsamt Friedberg/Archiv)

Kommt sie über Österreich (Serotyp 4) oder über Frankreich (Serotyp 8)? Die Rückkehr der Blauzungenkrankheit nach Deutschland scheint nur eine Frage der Zeit, denn beide Nachbarländer melden Ausbrüche. Eine staatliche Impfpflicht wird es aber in Deutschland wohl nicht mehr geben. Stattdessen soll es eine freiwillige Impfverpflichtung werden.

von Jörg Held

Die Formulierung der freiwilligen Impfverpflichtung ist eine Art „Trick“: Sie soll es den Tierseuchenkassen ermöglichen, an die Landwirte eine Beihilfe zu bezahlen, die sich verpflichten, ihre Bestände freiwillig gegen das Blauzungenvirus zu impfen. Das zielt vor allem auf die Schafhalter, denn bei Schafen sind Aborte und Missbildung durch das BT-Virus ein starke Belastung. Sie haben großes Interesse an einer Impfung.

Aktuelle Ausbreitung der Blauzungenkrankheit in Europa. (Karte © OIE)

Aktuelle Verrbeitung der Blauzungenkrankheit in Europa. (Karte © OIE)

Im Rinderbereich dagegen war die Impfbereitschaft beim letzten BT-Seuchenzug 2006 bis 2010 sehr unterschiedlich ausgeprägt. 2008/2009 bestand Impfpflicht, aber zum Beispiel in Bayern mussten hartnäckige Impfgegner letztlich per Gerichtsentscheid zur Tierseuchenbekämpfung gezwungen werden. Ab 2010 – in dem Jahr wurde in Deutschland kein BT-Fall mehr festgestellt – wechselten die Länder zu einer freiwilligen Impfung. Eine Entschädigung der Tierseuchenkassen für Tierverluste in ungeimpften Beständen wurde dabei ausgeschlossen.

Ähnlichen politischen und juristischen Scharmützeln wollen die Behörden bei einem möglichen neuen BT-Ausbruch mit der – angedachten – freiwilligen Impfverpflichtung aus dem Weg gehen. Sie nehmen dadurch aber in Kauf, dass Deutschland seinen seit 2012 bestehenden Status „blauzungenfrei“ womöglich auch langfristig verlieren wird. Das Ziel ist es, durch die Freiwilligkeit etwa 60 Prozent Impfabdeckung zu erreichen und so die Ausbreitung des Virus zumindest zu kontrollieren.

EU überlegt „Blauzungenkrankheit zu deregulieren“

Auch die EU überlege, die Blauzungenkrankheit zu deregulieren, berichtete Deutschlands oberste Veterinärin (CVO) Dr. Katrin Schwabenbauer auf der Delegiertenversammlung der Bundestierärztekammer Ende Oktober: „Das ist eine Krankheit, mit der wir werden leben müssen.“ Es sei eine Risikoneubewertung auch unter Abwägung der ökonomischen Risiken notwendig. Diese liege auf EU-Ebene aber noch nicht vor.
Bislang ist die Blauzungenkrankheit eine EU-weit anzeigepflichtige Tierseuche, die auch zu Handelsbeschränkungen führt. So hatte das aktuell von einer Ausbruchswelle betroffene Frankreich beantragt, trotzdem Fresser zu Rindermast nach Deutschland exportieren zu dürfen. Das aber hat die Bundesregierung abgelehnt, da Deutschland noch den BTV-frei-Status hat, was wiederum den Handel mit anderen Ländern erleichtert.
Auch Österreich hat „Verbringungsverbote“ im Land erlassen, es sei denn, die Tiere gelten als „geschützt“, sind also geimpft.

Ausbrüche in Frankreich und Österreich

Die Diskussion über eine Impfaktion in Deutschland steht an, weil mit Frankreich und Österreich unmittelbare Nachbarländer inzwischen BTV-Infektionen melden.
In Frankreich hat der Serotyp 8 des Blauzungenvirus inzwischen 90 Betriebe infiziert. Betroffen sind 15.748 Rinder und 1.067 Schafe und Ziegen  (Stand 16.11.2015). Frankreich hat ein Impfkampagne gestartet (ausführlicher Bericht hier).
Auch Österreich meldet die ersten bestätigten BT-Fälle. Betroffen sind drei Rinderbetriebe mit insgesamt 205 Tieren. Hier handelt es sich um den Serotyp 4 des Virus, der aktuell in Osteuropa, insbesondere in Ungarn und Rumänien grassiert (aktueller Bericht hier).

Quellen:
Übersichtsseite „Blauzungenkrankheit“ der ages Österreich
Im Tiergesundheitsinformations-System (WAHID) auf der OIE-Webseite kann man die Blauzungen-Ausbreitung nach Ländern nachvollziehen.
Ein Übersicht von Meldungen und Quellen zur Blauzungenkrankheit seit 2010 bietet MSD-Tiergesundheit hier

Alle Berichte auf wir-sind-tierarzt.de zum Thema finden sie unter dem Schlagwort „Blauzungenkrankheit“

Beitragstitelbild: © Staatliches Veterinäruntersuchungsamt Friedberg/Archiv

 

 

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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