Kommentar zum Opferfest: Schächten ist wie „bauchfrei in die Moschee“

Ich bin bekennender Freund des islamischen Opferfestes. Denn seine Symbolkraft für die Gemeinsamkeit der großen Weltreligionen ist riesig. Leider ist es zu einer Mischung aus Politik und Weihnachten verkommen. Warum es nicht einfach umbenennen?

Ein Kommentar von Henrik Hofmann

Bis heute ist es beim Opferfest Tradition, ein Rind, ein Schaf oder eine Ziege zu schlachten – zur Erinnerung an Abraham, der zunächst seinen Sohn Issak opfern wollte und dann von Gott daran gehindert wurde. Das Opfer erfolgt nach festen Regeln. Eine unter vielen ist, dass das Tier gesund sein muss. Eine andere, dass es keine Angst haben darf. Ein Teil des Fleisches wird an Bedürftige gespendet.

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So weit die Theorie

Tatsächlich hat sich das Opferfest zu einem Politikum entwickelt. Muslimische Theologen haben zwar mittlerweile gesagt, dass auch das Opfern nach Betäubung „gilt“. Viele Muslime bestehen aber darauf, ohne vorherige Betäubung das Tier durch Durchtrennen der Kehle zu töten. Schächten eben. Die Opfernden tun dies höchstens ein Mal im Jahr, haben also keinerlei Übung. Wer einmal dabei gewesen ist, weiß, dass es meist eine abscheuliche Quälerei ist, wenn den Lämmern mit stumpfen Messern die Kehle durchgesäbelt und dann häufig noch im letzten Moment des Bewusstseins das Genick gebrochen wird.

Beten? Von wegen …

Was mich persönlich aufregt: Sehr viele Muslime, die unbedingt Schächten wollen, wissen gar nicht, was dazu in Koran und Scharia steht. Einer meiner Schäfer fragt vor dem Schlachten immer, ob die Opfernden bereit sind oder vielleicht noch beten wollen. Häufige Reaktion: Sie lachen ihn aus. Beten? Nein! Man will unbedingt betäubungslos schlachten – aber nicht beten.
Auf meine Frage, ob von dem Fleisch an die Flüchtlinge gespendet wird, erhalte ich die begeisterte Antwort: „Ja, es gibt Leute, die das tun!“ Getroffen habe ich allerdings noch niemanden! Das Opferfest ist für mein Empfinden zu einer Mischung aus politischem Statement und einer häufig inhaltslosen Tradition verkommen – ähnlich wie vielfach bei unseren Weihnachts- oder Osterbräuchen. Schade.

In Deutschland ist betäubungsloses Schlachten nur unter sehr sehr strengen Auflagen möglich. Faktisch wird es den wenigsten Muslimen erlaubt. In diesem Jahr wurde gar versucht, das Schlachten nur noch in EU-zugelassenen Betrieben zu erlauben. Die Reaktion der Muslime? Mehr denn je versuchten sie 2015, Lämmer lebend zu kaufen, um sie dann im Hinterhof zu meucheln.

Unser Koran ist das Grundgesetz

Ich arbeite alljährlich als amtlicher Tierarzt als „Arzt“ beim Opferfest: Tierschutz überwachen, Hygiene beachten, Gebühren kassieren. Immer wieder gibt es auch bei uns Streit und Diskussion, ob ohne Betäubung geschlachtet werden darf. Ich frage, was sie davon hielten, wenn in Marrakesch oder Ankara eine deutsche Touristin im bauchfreien Spaghetti-Top und ohne Kopfbedeckung in die Moschee ginge? „Das wäre völlig unmöglich“, ereifern sich sofort alle und sind entsetzt. „Tja, und bei uns steht der Tierschutz im Grundgesetz“, sage ich dann. „Und das steht über allen anderen Büchern – egal, ob sie nun Bibel oder Koran heißen. Das sind die Spielregeln, an die sich alle in Deutschland zu halten haben. ALLE.“ Da folgt dann betretenes Schweigen.

Das „religiöse Freundschaftsfest“

Dabei gilt: Obwohl wir meist vom „muslimischen“ Opferfest sprechen, kommt die zugrundeliegende Geschichte nicht nur im Koran, sondern auch in der Bibel und in der Thora vor. Die Opferung Isaaks spielt im Christentum sowie im Judentum in unterschiedlichen Interpretationen eine Rolle. Für viele christliche Theologen ist dieses Ereignis übrigens das alles entscheidende Ende des Menschenopfers.
So könnte auch das Opferfest zum Dialog über die gemeinsamen religiösen Traditionen der monotheistischen Religionen beitragen. Deutschland nimmt hunderttausende, vor allem muslimische Flüchtlinge auf. Die Menschen sind uns willkommen. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich. In muslimischen Ländern wie Saudi-Arabien sind sie es nicht.

Mein Vorschlag: Warum nicht das „muslimische Opferfest“ in das „religiöse Freundschaftsfest“ umfunktionieren. Ein Feiertag für alle. Ohne Menschen- und Tieropfer. Man gedenkt der gemeinsamen Wurzeln und erkennt an, dass die Massaker, aus denen all unsere Flüchtlinge kommen, Verbrechen sind. Und es nur einen Gott gibt (neben dem Grundgesetz).

Hintergrund

Das Opferfest – arabisch „Eid Aladha“ oder türkisch „Kurban Bayrami“ – ist das höchste Fest im Islam. Es dauert vier Tage und wird zum Höhepunkt des Hadsch, der Pilgerfahrt nach Mekka gefeiert.

Es erinnert an die Bereitschaft Abrahams (Ibrahims) seinen eigenen Sohn zu opfern. Gott hatte, so überliefert es der Koran, Abraham auf die Probe gestellt: Er forderte ihn auf, seinen Sohn zu opfern. Im letzten Augenblick stoppte Gott sein Vorhaben. Statt seines Sohnes durfte er ein Schaf opfern.

Der islamische Glaube richtet sich nach dem Mondkalender. Der Beginn eines Mondmonats ist der Neumond. Da der Mondmonat 29 oder 30 Tage haben kann, ist das Mondjahr kürzer als der Gregorianische Kalender. Deswegen fällt das Opferfest jedes Jahr in einen anderen Zeitraum. Meist verschiebt sich das Opferfest um etwa zehn Tage pro Jahr.

Eine gute Reportage mit Hintergrundwissen zum Opferfest hat auch Karsten Krogmann in der Nordwest-Zeitung geschrieben

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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