Die Antibiotika-Pläne der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

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„Etwaige Fehlanreize im Vergütungssystem der Tierärzte werden wir abschaffen.“ Der Beschluss des CDU/CSU-Fraktionsvorstandes klingt etwas umständlich, doch er dürfte für Tierärzte das Ende der Rabatte beim Antibiotika-Einkauf bedeuten. Ein irgendwie geartetes Antibiotika-Verbot plant die CDU/CSU dagegen nicht, aber Einschränkungen bei „für Menschen besonders relevanten Wirkstoffen“.

(jh) – „Wir sind uns einig, dass Antibiotikaresistenzen die tickende Zeitbombe des 21. Jahrhunderts sind,“ mahnt unmissverständlich die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann, die zugleich auch Vorsitzende des Agrarausschusses im Bundestag ist. CDU/CSU formulieren deshalb: „Wir müssen einen übermäßigen Verbrauch von Antibiotika eindämmen und gefährliche Resistenzen von Erregern bei Mensch und Tier verhindern.“

Gitta Connemann, Stellv. CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende des Agrarausschusses im Bundestag. (Foto © Connemann)

Gitta Connemann, Stellv. CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende des Agrarausschusses im Bundestag. (Foto © Connemann)

Bemerkenswert ist dabei, dass CDU/CSU beim Thema Antibiotika konsequent Tiermedizin und Humanmedizin in einem Atemzug nennen und so – anders als SPD und GRÜNE – die Nutztierhaltung nicht zum großen Buhmann der Resistenzthematik machen.

Antibiotikaeinsatz minimieren

Die für die Tierärzte wichtigen geplanten Schritte zum Thema Antibiotika hat die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Papier in einem Satz kurz und klar formuliert (vollständiger Wortlaut des Positionspapiers siehe unten):

„Wir werden die Verwendung von nachweislich für Menschen besonders relevanten Wirkstoffen in der Tierhaltung einschränken …“

Wichtig sind hier die zwei Worte „nachweislich“ und „einschränken„.

  • „Nachweislich“ bedeutet, dass hier eine fachlich fundierte Definition der Wirkstoffe erfolgen muss/wird. Die Union verwendet bewusst nicht den bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen so beliebten Pauschalbegriff „Reserveantibiotika„.
  • „Einschränken“ bedeutet, dass die CDU/CSU – anders als die beiden anderen Parteien – kein Pauschalverbot dieser Wirkstoffe für die Tiermedizin plant, sondern genaue Vorgaben für deren Einsatz bei Tieren machen wird. Konkret können Tierärzte damit rechnen, dass dies mit der in Kürze erwarteten Änderung der Tierärztlichen Hausapotheken Verordnung (THAV) erfolgt. Erwartet werden definitiv verpflichtende Resistenztests.

Der zweite Teil des Satzes lautet:

„… und etwaige Fehlanreize im Vergütungssystem der Tierärzte abschaffen.“

Als „Fehlanreize“ gelten Rabatte beim Antibiotika-Einkauf durch Tierärzte. Die Annahme, Tierärzte seien dadurch versucht, größere Mengen bei den Herstellern zu ordern und so auch entsprechend (unnötig!) mehr einzusetzen, war bereits beim Fachdiskurs über das tierärztliche Dispensierrecht Ende 2014 diskutiert worden. Die Tierärzteschaft hatte dabei einem unnötig Einsatz vehement widersprochen, aber ebenso wie die Vertreter der Pharmaindustrie deutlich gemacht, dass nichts gegen ein Ende der Rabatte spreche.
Da bereits die Grünen, Die Linke und auch die SPD schon eine Abschaffung der Rabatte gefordert haben, dürfte hier ein politischer Vorstoß folgen. In Frankreich sind solche Rabatte auf die Einkaufspreise antibiotischer Wirkstoffe bereits verboten.

Wortlaut der CDU/CSU-Positionen …

… zum Thema Antibiotika

„Wir müssen einen übermäßigen Verbrauch von Antibiotika eindämmen und gefährliche Resistenzen von Erregern bei Mensch und Tier verhindern. Deshalb dürfen Antibiotika nur noch im medizinisch erforderlichen Fall und passgenau eingesetzt werden – in der Tier- und Humanmedizin. Prävention und Hygiene sind die effektivsten Mittel, um bakterielle Erkrankungen zu vermeiden. In der Nutztierhaltung gelten heute strengste Meldepflichten und Vorgaben. Dennoch werden wir die Verwendung von nachweislich für Menschen besonders relevanten Wirkstoffen in der Tierhaltung einschränken und etwaige Fehlanreize im Vergütungssystem der Tierärzte abschaffen. Auch in der Humanmedizin sind weitere Schritte erforderlich. Mehr als bisher sollten Ärzte erkennen können, wann es nötig ist, einem Patienten Antibiotika zu verschreiben. Die Zusammenarbeit zwischen Human- und Tiermedizin werden wir im Sinne des sog. „One Health“-Ansatzes intensivieren, der Mensch, Tier und Umwelt beim Management von Gesundheitsrisiken integriert.“

… zum Thema Tierwohl

„Die deutschen Nutztierhalter sind auf das Wohl ihrer Tiere bedacht. Die gesellschaftlichen Anforderungen sind aber inzwischen gestiegen. Wir werden die Tierhaltung in Deutschland noch weiter verbessern und unterstützen die Tierwohl-Offensive des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Wir werden ein Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallhaltungssysteme einführen. Wir fördern intensiv die Forschung nach alternativen Lösungen, um nicht-kurative Eingriffe wie das Kürzen von Schnäbeln oder Schwänzen baldmöglichst zu beenden. Dies gilt auch für das

Töten männlicher Küken. Der gesetzlich bereits geregelte Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration zum 1. Januar 2019 muss von der Wirtschaft rechtzeitig vorbereitet werden; die Alternativen müssen praktisch erprobt sein. Das Schlachten trächtiger Kühe ist grausam und wird verboten. Langfristig ist dem Tierwohl aber nur mit einheitlichen und höheren Tierschutzstandards auf EU-Ebene in Verbindung mit effektiveren Kontrollen gedient. Eine Abwanderung der Produktion in Staaten mit geringeren Anforderungen an den Tierschutz hilft weder den Tieren noch unseren Verbrauchern.“

… zum Thema Versuchstiere

„Die Anzahl der Versuchstiere wächst auch durch EU-Vorgaben. Wir setzen uns für ihren größtmöglichen Schutz ein. Die Forschung nach Ersatzmethoden muss verstärkt und koordiniert werden. Deshalb unterstützen wir das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bei der Einrichtung eines nationalen Kompetenzzentrums zum Schutz von Versuchstieren.“

Quelle:
Beschluss des CDU/CSU/Fraktionsvorstandes zu „Lebensthemen – Von der Ernährung bis zum gesundheitlichen Verbraucherschutz“ (PDF-Download – 3.9.2015)

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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