Kompromiss gesucht: Bewegungsfreiheit für Sauen oder Ferkelverluste

Muttersauen, fixiert im sogenannten Ferkelsschutztkorb (Foto: ©WiSiTiA/hh)Muttersauen, fixiert im sogenannten Ferkelsschutztkorb (Foto: ©WiSiTiA/hh)

Tierschutzorganisationen fordern: Schluss mit in Abferkelständen fixierten Sauen. Die Muttertiere könnten darin weder ihren Nestbauinstinkt  ausleben noch sich bewegen, geschweige denn sich artgerecht verhalten. Doch in der Natur sterben 50 bis 75 Prozent aller Ferkel, bevor sie von der Mutter entwöhnt sind. Wissenschaftler stellen die Frage: Was ist wichtiger, der Schutz der Ferkel oder die Bewegung der Sau? Kann es einen Kompromiss geben?

(aw) – Erfahrungen in Abferkelställen zeigen immer wieder: Die Ferkelverluste sind deutlich höher, wenn die Sauen sich während und nach dem Geburtsvorgang frei bewegen können. Oftmals erdrücken die Muttertiere dann zu langsam reagierende Ferkel. Dr. Christian Hansen und sein Team haben versucht an der Universität Kopenhagen einen Kompromiss zu entwickeln: Den sogenannten SWAP-Stall. SWAP steht für sow welfare and piglet protection. In ihm kann die Sau beim Ferkeln und in der Laktation entweder fixiert werden oder aber frei laufen. „Wir hoffen, mit diesem System die Ferkelsterblichkeit normaler Abferkelstände zu erreichen“, sagt Dr. Hansen.

Fixieren oder frei bewegen – der Versuchsaufbau. (Grafik: @ Hansen/Journal of Animal Science)

Fixieren oder frei bewegen – der Versuchsaufbau. (Grafik: @Hansen/Journal of Animal Science)

Um die Tauglichkeit des neuen Systems zu testen, wurden 1.125 Sauen in drei verschiedene Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe von Sauen konnte sich stets frei bewegen, eine zweite Gruppe war vom 114. Trächtigkeitstag bis zum vierten Tag nach der Geburt in dem Stand fixiert und die dritte Gruppe wurde erst nach Abschluss des Geburtsvorgangs für vier Tage fixiert.

Länger fixiert – weniger Ferkelverluste

Sauen, die ab dem 114. Trächtigkeitstag, also am längsten fixiert waren, hatten die geringste Zahl an tot-geborenen Ferkeln. In diesem Fall gab es auch die wenigsten erdrückten Ferkel (7,8 Prozent).
Die freilaufenden Sauen erdrückten 10,7 Prozent ihrer Ferkel und in der Gruppe, die erst nach dem Abferkeln fixiert wurde, starben 9,7 Prozent der Ferkel durch Erdrücken.
Auch die Ferkelsterblichkeit unter den lebend geborenen Tieren war bei den länger fixierten Sauen deutlich geringer (22 Prozent) als bei den anderen beiden Haltungsformen (26 Prozent bei ständigem Freilauf – 24 Prozent bei Fixation nach dem Abferkeln). Zum Vergleich: in der Natur sterben 50 bis 75 Prozent der Ferkel. In der konventionellen deutschen Schweinehaltung liegt die Rate dagegen bei durchschnittlich zehn bis 15 Prozent. In dänischen Biobetrieben mit Abferkelhütten erleben rund 30 Prozent der Ferkel das Absetzen nicht mehr.

Abmessungen und Aufbau des SWAP-Abferkelstandes. (Grafik: Hansen/Fixieren oder frei bewegen – der Versuchsaufbau. (Grafik: @Weber/Journal of Animal Science)

Abmessungen und Aufbau des SWAP-Abferkelstandes. (Grafik: Weber/Fixieren oder frei bewegen – der Versuchsaufbau. (Grafik: @ Hansen/Journal of Animal Science)

In den beiden Gruppen, die nur vorübergehend fixiert wurden, war die Anzahl lebend geborener Ferkel außerdem größer und die der Totgeburten kleiner als bei den Sauen, die sich stets frei bewegen konnten.

Vier Tage fixieren bringt bereits guten Ferkelsschutz

Es reicht also für den Schutz der Ferkel durchaus aus, Sauen für vier Tage nach der Geburt zu fixieren und danach die Stände wieder zu öffnen. Doch es überleben mehr Ferkel, wenn die Sauen schon während der Geburt fixiert sind. Eine Fixation ab dem 114. Tag der Trächtigkeit (Sauen tragen 115 Tage) verlängert die Zeit, in der die Tiere fixiert sind nur unwesentlich, erhöht aber die Überlebenschancen der Ferkel noch einmal deutlich.
Da die variablen SWAP-Ställe mehr Platz benötigen als herkömmliche Systeme – und damit teurer sind – ist es wichtig, dass die Wirtschaftlichkeit (= Zahl der abgesetzten Ferkel) nicht wesentlich schlechter ist, als in den alten Ställen.

Quelle: Journal of Animal Science – der komplette Artikel ist frei zugänglich

Beitragsbild: Muttersauen, fixiert im sogenannten Ferkelsschutzkorb (Foto: ©WiSiTiA/hh)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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