2017, 2020 oder irgendwo dazwischen: In diesem Zeitfenster wird das Töten von männlichen Eintagsküken in Deutschland verboten werden. Dann nämlich ist das automatisierte Verfahren zur Geschlechtserkennung im Ei serienreif. Die Politiker verschiedener Couleur ringen jetzt um das genaue Ausstiegsdatum und die „Elternschaft“ für den „Erfolg“.
von Jörg Held
„Wenn ein solches Gerät auf dem Markt erhältlich ist, gibt es für die Brütereien keine Rechtfertigung mehr, männliche Küken auszubrüten und zu töten,“ teilt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt aus Leipzig mit. Das ist ziemlich genau der Wortlaut, den wir.sind.tierarzt.de am 26. März in einem Kommentar vorhergesagt hat. In Leipzig haben ihm Wissenschaftler um Professorin Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns heute (30.3.2015) mitgeteilt, dass Ende 2016 ein Prototyp fertig ist, der das Geschlecht eines ungeborenen Kükens noch in den ersten drei Tagen im Ei bestimmen kann – wann das Verfahren aber serienreif ist und in Deutschland flächendeckend rund 100.000 Millionen Hühnereier pro Jahr untersuchen kann, ist weiter offen.
Ausstiegsdatum steht (noch) nicht fest
Aktuell überbieten sich die Politiker noch mit Zeitangaben für den Ausstieg: Die Grünen setzten vor kurzem noch eine Bundestagsdebatte mit genereller Verbotsforderung an. NRW hat einen ab 1. April 2015 gültigen Verbotserlass herausgegeben, der von einem Gericht aber wieder einkassiert wurde. Der Bundeslandwirtschaftsminister will, „dass das Kükenschreddern 2017 aufhört“, betont aber: „Da muss die Wirtschaft mithelfen.“ Sprich: Er nennt keine exakte Jahreszahl, sondern macht den Ausstieg von der endgültigen Serienreife der Maschinen abhängig, was sich in seiner Pressemitteilung so liest: „Sobald eine Automatisierung der Geschlechtsbestimmung im Hühnerei erreicht ist, müssen dann die Unternehmen in die serienmäßige Entwicklung der Geräte investieren und diese sukzessive einsetzen.“
Niedersachsen Grüner Landwirtschaftsminister Christian Meyer fordert dagegen, sofort ein verpflichtendes Ausstiegsdatum festzulegen und hat das Jahr 2020 genannt. Alle Politiker – ob rot, grün oder schwarz – betonen, dass jeweils sie die Forschung gefördert hätten, denn eines ist politischer Konsens: Es soll ein Ende damit haben, dass jährlich in Deutschland etwa 45 Millionen männliche Eintagsküken getötet werden, weil sie weder Eier legen können, noch ordentlich Fleisch ansetzen, um als Brathähnchen oder Suppenhuhn zu taugen.
Wie funktioniert die in Ovo-Geschlechtsbestimmung
Das Verbundforschungsprojekt zur spektroskopischen Geschlechtsbestimmung im Hühnerei an den Universitäten Leipzig und Dresden ist inzwischen weit fortgeschritten: In den ersten 72 Stunden können die Wissenschaftler mittels Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie (NIR) das Geschlecht des ungeborenen Kükens bestimmen. Ein Laserstrahl schneidet dazu ein winziges Loch in die Eischale, so dass darunterliegende Blutgefässe per Ramanspektroskopie (im nahinfraroten Wellenlängenbereich untersucht werden können (siehe Grafik). Die Technik nutzt dabei die unterschiedliche Größe der Geschlechtschromosomen von männlichen und weiblichen Hühnern. Bei dem kontaktlosen Verfahren ist keine Reinigung und Desinfektion beziehungsweise ein Ersatz von Geräten oder Geräteteilen nach jeder Messung nötig ist. So entstehen nur geringe laufende Verbrauchskosten.
Einsatz hängt ab von Wirtschaftlichkeit
Eine Geschlechtsbestimmung dauert gegenwärtig noch etwa 15 bis 20 Sekunden pro Ei. Die Zeit soll aber durch technische und datenanalytische Verbesserungen auf deutlich unter 10 Sekunden sinken. Geklärt werden muss noch, ob das Verfahren die Schlupfrate nicht verringert oder die Tiergesundheit oder die Leistungsparameter der geschlüpften weiblichen Küken beeinträchtigt. Das sollen zwei je Monate dauernde Langzeit-Brutuntersuchungen zeigen.
Die Eier mit den als männlich identifizierten Küken eignen sich auch nicht mehr als Lebensmittel. Die Technik hat für die Brütereien aber den Vorteil, dass diese Eier wertvoller Rohstoff für verschiedene industrielle Anwendungen, wie etwa in der Futtermittelherstellung oder der chemischen Industrie („Ei-Shampoo“) bleiben.