„Hei Alder! Hast du Tier? Komm Praxis!“

TFA Fortbildung Bielefeld 2015 Vektor mit Wolfgang Matzner und Antje Blättner

Um existieren, faire Gehälter bezahlen und gute Medizin anbieten zu können, muss die Tierarztpraxis rentabel sein. Es „klemmt“  dabei häufig beim Tierarzt selbst. „Die meisten haben einen genetischen Defekt im Kopf. Die können kein Geld verdienen!“, sagt Wolfgang Matzner. Er ist Tierarzt und weiß wovon er spricht.

von Henrik Hofmann

Bildschirmfoto 2015-03-01 um 12.18.17In Bielefeld saß ich zufällig mit den Antje Blättner, Wolfgang Matzner und Katharina Kalinin (TFA) beim Frühstück. Innerhalb von Sekunden erzählten wir uns lustige Anekdoten. Wolfgang war auf einer Zahnfortbildung, da habe der Referent mal vorgerechnet, was er so nimmt. „Das hat mich voll motiviert. Nach der nächsten Zahn-OP zu Hause hab ich meiner Helferin gesagt, ,heut rechne ich mal ab‘.
Sie schaute mir über die Schulter und lächelte gequält: ,Chef und das habt ihr gelernt? Das deckt ja kaum unsere Kosten!‘ ‚Wenn ich mehr nehme, dann kommen die nie wieder!‘, gab ich zurück. ,Ich hätte da einen Vorschlag‘ eröffnete sie mir: ,Ich nehme 50 Euro mehr.

Beim gemeinsamen Frühstück: Antje Blättner, Katharina Kalinin und Wolfgang Matzner

Beim gemeinsamen Frühstück: Antje Blättner, Katharina Kalinin und Wolfgang Matzner

Wenn die Besitzer wiederkommen, gehört das Geld mir… Sie wollen’s ja nicht haben, Chef.'“
Ich sah der grinsenden Katharina Kalinin ins Gesicht und ich konnte mir schon denken, wie die Geschichte weiter gehen würde. „Wir haben das also gemacht. Beim Abrechnen haben die Besitzer nicht mit der Wimper gezuckt. Nach zwei Wochen kamen sie mit einem anderen Tier in die Praxis. Und ich war 50 Euro los…“

Nach dieser netten Anekdote lud ich mich zum TFA-Seminar in Bielefeld ein. Ich bezahle meinen Mitarbeiterinnen gerne und regelmäßig Fortbildungen. Eine gute Gelegenheit, um mal zu sehen, ob deren Fortbildung ihr Geld wert ist.

Praxismarketing

Die wichtigsten Mitbewerber um das Geld der Kunden sind heute Internet und Tierheiler der verschiedensten Sparten. Daher sei es wichtiger denn je, die Praxis in der Öffentlichkeit als kompetenten und wichtigsten Ansprechpartner darzustellen, erklärte Matzner. Man müsse den Tierbesitzern zeigen, dass es besser ist, das Geld zum Haustierarzt zu tragen, als in fragwürdige Dinge zu investieren oder im Internet auf „Schnäppchenjagd“ zu gehen. Das ist einerseits gut für die Tiere – andererseits sind Tierarztpraxen wirtschaftliche Unternehmen, die Geld verdienen müssen. Nicht zuletzt, um die Mitarbeiter bezahlen und in Qualität investieren zu können. Durch Praxismarketing wird den Kunden vermittelt, was die Praxis anzubieten hat. „Dazu gehören natürlich auch die ganz normalen Dinge“, so Matzner.

„Alles was wir anbieten sind Produkte“

TFA Fortbildung Bielefeld 2015 Vektor mit Wolfgang Matzner und Antje Blättner

273 TFAs besuchten die bpt-Fortbildung in Bielefeld 2015: Konzentriertes Arbeiten mit Wolfgang Matzner und Antje Blättner von Vetkom.

Die wichtigsten Stellschrauben im täglichen Marketing sind Produkt, Personal und Abläufe. „Alles, was wir in der Praxis anbieten“, so Matzner, „ist ein Produkt! Dazu gehören die tierärztlichen Leistungen, Serviceleistungen, Prophylaxe, Medikamente, Diätfuttermittel und Zubehör.“ Dabei müsse immer auf die Qualität geachtet werden. Wichtige Beispiele seien tierärztliche Leistungen und Kundenkommunikation. Natürlich müssten die Leistungen vollständig und gut ausgeführt – aber eben auch erklärt werden: „All zu leicht glauben Tierbesitzer, der kleine Pieks bei der Impfung sei alles. Und das kann ja auch jeder. Um sich aber abzuheben, müssen sie einfache Leistungen zelebrieren und vermitteln, dass hinter dem Pieks viel mehr steckt! Sie brauchen Zeremonien bei allen Serviceleistungen.“

Gerade die Impfung sei eine Situation, in der stressfrei kommuniziert werden und wo man die Kunden „proaktiv“ beraten könne. „Durch effektive Beratung kann der bestehende Kundenstamm in der Regel 20 Prozent mehr Umsatz bringen.“ Patientenbesitzer können medizinische und diagnostische Qualität nur schwer beurteilen. Beratung, Wertschätzung und vor allem wie mit dem Tier umgegangen wird, dafür um so mehr.

„Wer keine Telefonstimme hat, sollte nicht ans Telefon gehen“

Die Kommunikation betrifft Telefon, Rezeption, Beratung, Reklamation, Rechnungswesen, Praxisnews, Homepage und Social Media. Ganz wichtig: Telefonkommunikation. Matzner empfiehlt Trainings, damit Sätze wie „Hei Alder! Hast du Tier? Komm Praxis!“ unter keinen Umständen fallen. Das Telefon sei ein „Dooropener“. Natürlich habe nicht jeder eine Telefonstimme – aber der sollte auch nicht ans Telefon gehen. Absolutes no-go: Praktikanten am Telefon!

Vor allem Neukunden werden am Telefon leicht abgeschreckt, wenn parallel zum Telefon getippt oder geraschelt wird; Ärger vom Vorgespräch unterschwellig mitschwingt; der Anrufer das Gefühlt hat, nicht willkommen zu sein, „weil ein innerliches Stöhnen unüberhörbar ist“; er abschlägige Antworten erhält, wie „Da müssen sie halt warten“.

Matzner

© VetKom.

Natürlich hätten auch die Chefs ihre Schwächen in der Kundenkommunikation. Matzner hatte hier
einen „Spitzen-Tipp“ – für besonders mutige TFAs: „Zeigen sie ihrem Chef die gelbe Karte, wenn er nicht gut kommuniziert. Und die rote Karte, wenn er nicht richtig abrechnet!“ Wie ernst das gemeint war, sei dahin gestellt…

Im Mittelpunkt der Serviceleistungen stehen Helferinnen, da, so Matzner, 80 Prozent der Kundenkontakte über sie laufen. „Wenn sie 80 Prozent versemmelt, kann der Chef mit seinen 20 Prozent auch nichts mehr retten!“ Um ein gutes Umfeld zu schaffen, empfahl er Helferinnen zu „Wartezimmer-Managerinnen“ auszubilden und ihnen ein eigenes Budget dafür zur Verfügung zu stellen. Wichtig auch: Corporate-Design von der Kleidung über Homepage und Formulare und gepflegtes Äußeres seinen grundlegend!

Kollege Wolfgang Matzner brachte dieses eigentlich sehr trockene Thema mit Schwung und Dialog den fast 300 Tiermedizinischen Fachangestellten erfolgreich näher. Auch für mich als Chef (dem zugegebenermaßen auch das Gen zum Geldverdienen fehlt) ein guter Denkanstoß.

Ende Juni findet der nunmehr 15 Eurokongress für Tiermedizinische Fachangestellte in Hohenroda statt.

Teilen
Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)