Tierfutter, Tierbestatter, Tierfriseur, Tierarzt – 9 Mrd. Euro für Haustiere

Wirtschaftsfaktor Tier

Die Deutschen geben rund 9 Mrd. Euro für ihre Kleintiere aus. Nicht mal ein Viertel davon erwirtschaften die Tierärzte. Andere Branchen tragen einen überraschend hohen Anteil zum Milliardengeschäft bei. Ein Überblick:

von Henrik Hofmann

Derzeit gibt es etwa 9.500 Tierarztpraxen und Tierkliniken in Deutschland. In denen erwirtschaften insgesamt rund 38.500 Mitarbeiter (Tierärzte und Nichttierärzte) einen Umsatz von rund 2,6 Milliarden Euro – was einen Durchschnittsumsatz von etwa 270.000 Euro pro Praxis ergibt (alle Zahlen ohne Mehrwertsteuer). Auf dem Haustierbereich entfallen davon – so steht es in den von Professorin Dr. Renate Ohr an der Uni Göttingen vorgelegten Daten – etwa 1,8 bis 2 Mrd. Euro. Doch die Zahlen sagen auch noch etwas anderes: Die Verteilung der Praxiseinnahmen ist sehr unterschiedlich.

Umsatz nicht gleich Gewinn

Rund elf Prozent der Tierarztpraxen haben einen Jahresumsatz von über 500.000 Euro. Auf der anderen Seite erzielen knapp 15 Prozent einen jährlichen Praxis-Umsatz von im Schnitt 33.000 Euro, weitere 18 Prozent einen von 74.000 Euro. Umsatz ist aber nicht Gewinn. Rund zwei Drittel dieser Beträge sind Kosten für Personal, Waren und Dienstleistungen sowie sonstige betriebliche Aufwendungen und Investitionen. Als Reinertrag bleiben durchschnittlich nur etwa 35 Prozent des Umsatzes. Das bestätigt die häufig von Tierärzte angewandte „Pi-mal-Daumen“-Rechnung. Damit reicht der Ertrag allerdings in einem Drittel der Praxen nicht für einen Vollerwerb. Für einen akademischen Beruf stimmt das sehr nachdenklich.

Tierheilpraktiker häufig in Teilzeit

Wirtschaftsfaktor Tier

Wirtschaftsfaktor Haustier – 9 Mrd. Euro setzt die Branche um.

Tierheilpraktiker und Tierphysiotherapeuten sind Berufsfelder in der Tiergesundheitsbranche mit „wachsendem Zuspruch“. Das zeigt auch ein stetig wachsendes Ausbildungsangebot.

Die Anzahl der Tierheilpraktiker schätzt die Göttinger Untersuchung auf ca. 4.500. Sie machen einen durchschnittlichen Jahresumsatz von ca. 18.000 bis 22.000 Euro pro Praxis. Hieraus würde sich ein Umsatz der Tierheilpraktiker von etwa 90 Millionen Euro ergeben – häufig erzielt in Teilzeitarbeit.

Ähnliches gilt für die Tierphysiotherapeuten. Ihre Zahl wird auf 2.000 bis 3.000 geschätzt. Due Studie unterstellt  geringfügig höhere Umsätze als bei den Tierheilpraktikern, und kommt so für diesen Berufsstand auf einen Umsatz von ca. 60 bis 65 Millionen Euro.

Tiere fördern Gesundheit der Menschen

Die Göttinger Studie berechnet auch, dass die Ausgabe für Haustiere am Ende den Menschen zu Gute kommen – ökonomisch, gesellschaftlich und gesundheitlich. „Die durchschnittliche Häufigkeit von Arztbesuchen ist laut der Befragungen bei Personen ohne Haustiere tendenziell höher (mit über 2,5 Besuchen innerhalb von drei Monaten) als bei Tierhaltern. So gingen Katzenbesitzer nur etwas über 2,1mal zum Arzt, Kleintierhalter etwa 2,2mal und  Hundebesitzer etwas über 2,3mal, schreibt Prof. Dr. Renate Ohr: „Das erspart dem deutschen Gesundheitssystem bis zu 3 Mrd. Euro Ausgaben.“

Löwenanteil Heimtiernahrung

Insgesamt setzt die Heimtier-Branche gut 9 Mrd. Euro um. Dies entspricht etwa 0,32 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes und ist mit ca. 185.000 bis 200.000 Arbeitsplätzen verbunden.

Für die Heimtiergesundheit sind derzeit ca. 2,1 Mrd. Euro anzusetzen, von denen etwas mehr als die Hälfte der Hundehaltung zuzuordnen sind sowie mehr als ein Drittel der Katzenhaltung.
Der Umsatz der Tierärzte in diesem Bereich wird auf einen Betrag zwischen 1.8 und 2 Mrd. Euro geschätzt, der Anteil des Umsatzes mit Medikamenten liegt bei etwa 500 Mio. Euro. Ein Halter hat dabei pro Jahr etwas über 60 Euro Tierarztkosten pro Katze und ca. 140 Euro pro Hund.

Für die Heimtiernahrung werden knapp 3,75 Mrd. Euro aufgewendet, davon über 90 Prozent für Hunde und Katzen.

Für Heimtierzubehör werden weitere 1,05 Mrd. Euro ausgegeben, davon rund 20 Prozent für Hunde, mehr als 45 Prozent für Katzen und knapp 35 Prozent für sonstige Heimtiere (Ziervögel, Zierfische und Reptilien, Kleintiere).

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Jeder dritte Haushalt hält ein Tier

Eine vom Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) in Auftrag gegebene Populationsstudie zählt für das Jahr 2013 rund 11,5 Mio. Katzen und schätzt die Anzahl der Hunde auf 6,9 Mio.. Dazu kommen 6,1 Mio. Heimtiere: Ihre Anzahl setzt sich aus ca. 3 Mio. Zwergkaninchen, ca. 1,3 Mio. Meerschweinchen und ca. 0,7 Mio. Hamstern zusammen. In geringen Anteilen kommen noch Mäuse, Ratten, Chinchillas, Degus, Frettchen hinzu.
Im europäischen Vergleich liegt Deutschland zahlenmäßig im Mittelfeld, aber weit abgeschlagen etwa hinter Großbritannien und Polen. Gehalten werden diese Tiere übrigens nur in etwas mehr als einem Drittel der deutschen Haushalte, der Rest lebt „tierfrei“.

Millionenbeträge für Dienstleistungen an Hunden

Ausgaben entstehen auch für Dienstleistungen rund um das Heimtier:

  • Heimtierzucht: ca. 560 Mio. Euro
  • Tierversicherungen: ca. 450 Mio. Euro
  • Tierpensionen: geschätzte 65-70 Mio. Euro
  • Tierbestattungen: etwa 40 Mio. Euro
  • Hundeschulen: rund 75 Mio. Euro
  • Tierfriseure: in geschätzter Höhe von 65 Mio. Euro
  • Hundesteuer: 300 Mio. Euro
  • Tierheime: 170 Mio. Euro

Diese Ausgaben sind zu rund 90 Prozent der Hundehaltung zuzuordnen. Weitere 520 Mio. entfallen auf Tierbücher, Tierzeitschriften und TV-Sendungen.

Was bringt die Zukunft?

Hunde

Etwa 90 Prozent aller Ausgaben entfallen auf Hunde.

  • „Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in Deutschland wird sich die Anzahl der Heimtiere vermutlich in absehbarer Zeit nicht weiter erhöhen. Bei den Ziervögeln ist zudem ein gewisser Rückgang zu beobachten, bei exotischen Tieren allerdings ein gewisser Zuwachs.
  • Bei der tierärztlichen Versorgung zeigt sich eine zunehmende Akzeptanz kostenintensiver Behandlungen (Intensivmedizin), die sich an die Humanmedizin anlehnen. Damit verbun- den ist auch ein gewisser Zuwachs von OP-Versicherungen.
  • Bei den Hundehalter-Haftpflichtversicherungen kann sich noch ein weiterer Zuwachs ergeben, da diese Versicherung auch in weiteren Bundesländern noch Pflicht werden kann.
  • Kommerzielle Tierbestattungen – insbesondere Einäscherungen – werden weiter zunehmen, da Haustier als vollwertige Familienmitglieder angesehen werden.
  • Bei der Hundehaltung zeigt sich ein deutlicher Rückgang der in Deutschland gezüchteten Rassehunde. Zunehmend werden Rassehunde importiert, vielfach aber auch Mischlinge aus schlechter Haltung in anderen Ländern.
  • Die Nachfrage nach Hundeschulen dürfte wachsen, auch weil (Tier)Haltungsvorschriften der Länder (sogenannte Hundegesetze) zunehmend einen Qualifikationsnachweis voraussetzen.
  • Hunde werden vermehrt mit in den Urlaub genommen.

Quellen: Uni Göttingen spiegel-online ZZF
Fotos: WiSiTiA/hh / Grafik ZZF

 

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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