NRW: Neun von zehn-Putenmastdurchgängen antibiotisch behandelt

Als „alarmierend“ bezeichnet NRW-Landwirtschftsminister Johannes Remmel den „Antibiotikaeinsatz in der Intensivtierhaltung“. Neun von zehn Mast- oder Zuchtdurchgängen bei Puten wurden mit Antibiotika behandelt, sagt eine am Dienstag (25.11.2014) vorgelegte Untersuchung aus NRW – und wertet das als „routinemäßigen Einsatz“.

In 20 Kreisen Nordrhein-Westfalens haben die Behörden die Daten von 516 Durchgängen in Puten-Aufzucht- und -Mastbetrieben ausgewertet. Die Gesamtzahl der untersuchten Betriebe nennt die Studie nicht, sagt aber, den überwiegenden Teil der in NRW gehaltenen Mastputen erfasst zu haben¹. In 479 Durchgängen (92,8 Prozent) wurden die Tiere dabei mindestens einmal antibiotisch behandelt. Ein  Durchgang galt allerdings als behandelt, sobald ein Teilbestand behandelt wurde – es könne daher nicht auf die Zahl der behandelten Tiere geschlossen werden, heißt es in der Untersuchung (Seite 14 + 23 des Berichtes).

Umwidmungsregeln eingehalten?

Tabelle der eingesetzten Wirkstoffe und ihrer Zulassung

Tabelle der eingesetzten Wirkstoffe und ihrer Zulassung (©LANUV/NRW)

Im Extremfall gab es in einem Mastdurchgang bis zu 21 Behandlungen mit Antibiotika. Dabei kamen bis zu zehn verschiedene Wirkstoffe pro Durchgang zum Einsatz. Im Durchschnitt gab es 3,5 Behandlungen bei Durchgängen mit männlichen und 2,3 Behandlungen bei weiblichen Tieren. Eingesetzt wurden auch Präparate, die nicht für die Behandlung von Puten zugelassen waren (siehe Tabelle). Die Aufsichtsbehörde (LANUV) prüft derzeit in einigen Fällen – soweit nicht zulässige Umwidmungsregeln angewandt wurden – „die Einleitung weiterer rechtlicher Schritte.“

Die Ergebnisse im Überblick:

  • Von den betrachteten 516 Durchgängen wurden 479 (92,8 Prozent) antibiotisch behandelt
  • In etwa 86 Prozent der Durchgänge, kam als Mastrasse Big 6/BUT 6 zum Einsatz. Die Therapiedichte bei der am häufigsten eingesetzte Mastrasse Big 6/BUT 6 war im Vergleich mit den Rassen Converter und Big 9 durchschnittlich um 21 Prozent höher.
  • Es wurden insgesamt 22 verschiedene Wirkstoffe eingesetzt: mit Abstand am häufigsten der Wirkstoff Benzylpenicillin, gefolgt von den Wirkstoffen Colistin, Amoxicillin und Enrofloxacin. Unter den vier am häufigsten eingesetzten Wirkstoffen befanden sich mit Colistin und Enrofloxacin zwei Wirkstoffe aus Substanzklassen, die als sogenannte „Reserveantibiotika“ bezeichnet werden.
  • Bei etwa einem Drittel der Wirkstoffeinsätze (961 von 2.764) wurde ein nicht in Deutschland für Puten zugelassenes Präparat verwendet. Das ist nach dem Arzneimittelgesetz nur in Einzelfällen bei einem Therapienotstand zulässig.
  • In 79 dieser 961 Fälle wurde ein nicht für Puten zugelassenes Präparat verabreicht, obwohl zum Zeitpunkt der Abgabe ein zugelassenes Präparat mit demselben Wirkstoff zur Verfügung steht. Ob hier strafbare Handlungen vorliegen, wird aktuell geprüft.

¹In NRW waren zum Stichtag 01. März 2013 ca. 200 Betriebe mit einem Gesamtbestand von rund 1,5 Mio. Truthühnern registriert. Davon entfielen ca. 87% der Tiere auf Betriebe mit mehr als 10.000 Tieren.

Quellen:
Pressemeldung zur Untersuchung
Volltext der NRW-Untersuchung
Schon 2011 (Masthühner) und 2012 (zwei Verschleppungsstudien Tränkeanlagen hier und hier) hatte NRW Antibiotika-Untersuchungen vorgelegt (Übersichtsseite der NRW-Antibiotika-Untersuchungen)

So unterschiedlich in der Tonalität gewichten süddeutsche.de (emotional wertend) und WDR (sachlich kritisch/nicht mehr online verfügbar) auf Basis der gleichen Quelle die NRW-Untersuchung.

 

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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