Antibiotikaresistenzen ohne Medikamenteneinsatz

Glaubt man den Vertretern von Bündnis 90/Die Grünen, dann wäre das Problem zunehmender Resistenzen gegen Antibiotika in der Humanmedizin schnell gelöst. Doch der Überlebenskampf der Bakterien ist viel komplexer.

Mantramäßig wiederholen Grüne Politiker stets die gleiche Theorie: „Massentierhaltung“ braucht viele Antibiotika und viele Antibiotika führen zu vielen Resistenzen. Ergo würde ein Verbot der „Massentierhaltung“ dafür sorgen, dass die vorhandenen Antibiotika (in der Humanmedizin) auch weiterhin effektiv eingesetzt werden können. Was genau eine „Massentierhaltung“ ist und ab welchen Tierzahlen man den Ausdruck benutzen kann, definiert dabei niemand genauer.

Resistenzen entstehen schon allein durch Bakterienkonkurrenz

Diese eingängige Theorie, für die sich auch Humanmediziner erwärmen, hat schon vor einiger Zeit einen kleinen Dämpfer bekommen. Forscher entdeckten im Permafrost-Boden ca. 40.000 Jahre alte Bakterien, die bereits Resistenzen gegen heutige Antibiotika aufwiesen. Vor kurzem aber gelang Dr. Daniel Lopez und seinem Team von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg weitere eine interessante Entdeckung, die dieses Phänomen erklären könnte. „Resistenzen entstehen schon dann, wenn Bakterien in großer Zahl und auf engem Raum in Konkurrenz miteinander leben“, erläutert Dr. Lopez. Für seine Experimente benutzte der Wissenschaftler Staph. aureus-Bakterien, die nicht gegen Antibiotika resistent waren. Diese Bakterien hielt er unter Bedingungen, wie sie in Biofilmen herrschen. Biofilme bilden sich an Grenzflächen zwischen verschiedenen Aggregatzuständen (z.B. Feststoff/Gas oder Wasser/Gas) und bestehen aus einer Schleimschicht, in die Mikroorganismen eingebettet sind. In der Humanmedizin finden sich solche Biofilme zum Beispiel an OP-Bestecken oder Prothesen.

Selbstproduzierte Antibiotika als Abwehrmechanismus

Im Biofilm leben also viele Einzelindividuen auf engem Raum mit einem begrenzten Nährstoffangebot. Durch den Konkurrenzkampf produzierten einige Bakterien aufgrund spontaner Mutationen plötzlich Antibiotika und hielten damit die Konkurrenz auf Distanz. Die Fähigkeit der Antibiotika-Bildung haben auch Bakterien, die nicht in Biofilmen leben, sondern sich generell gegen andere Bakterien durchsetzen müssen. Als Gegenreaktion entwickeln die angegriffenen Bakterien wiederum Resistenzen.
Bereits nach fünf Tagen im Biofilm konnte Dr. Lopez bei den eingesetzten Staphylokokken drei Gruppen unterscheiden: die harmlosen Anfangsbakterien; die Antibiotika-Produzenten, die sich einen Vorteil zu verschaffen versuchten; und die Staphylokokken, die gegen diese – von den Bakterien ohne externe Einflüsse gebildeten – Antibiotika resistent waren.

Biofilme als Brutstätte bekämpfen

Dr. Gudrun Koch, ebenfalls aus der Forschergruppe, erklärt das Phänomen wie folgt: „Biofilme können also Brutherde für Resistenzen sein, ohne dass sie mit Antibiotika von außen in Kontakt kommen.“ Ihrer Meinung nach ist die Bekämpfung von Biofilmen in Krankenhäusern von höchster Priorität, um die Infektionsgefahr mit resistenten beziehungsweise multiresistenten Bakterien zu senken.

 

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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